Brandenburger Schüler bei Jugend-EU-Projekt in der Partnerstadt Kaiserslautern
Schülerinnen und Schüler des Bertolt-Brecht-Gymnasiums haben sich zusammen mit ihrem Lehrer am Donnerstag, dem 2. Mai 2019, auf den Weg zu einem Jugend-EU-Projekt der Partnerstadt Kaiserslautern gemacht. Zusammen mit Jugendlichen aus Banja Luka (Bosnien-Herzegowina), Guimarães (Portugal), Pleven (Bulgarien), Saint-Quentin (Frankreich) und der Gastgeberstadt Kaiserslautern haben die Brandenburgerinnen und Brandenburger im 3-tägigen internationalen Jugendworkshop „Die Europawahl 2019 – mitdenken, mitreden, mitmachen“ Informationen zur Europäischen Union erarbeitet. Darüber hinaus besuchten die 11. Klässler den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg und Ausflugsziele in der Partnerstadt Kaiserslautern, bevor sie am Sonntag, dem 5. Mai, wieder in die Havelstadt zurückkehrten.
Einen ausführlichen Berichte über den Europa-Workshop hat Simon Tritschler, Chefredakteur der Schülerzeitung des BurgGymnasiums Kaiserslautern verfasst:
Vom 2. Bis 5. Mai 2019 nahmen drei Schülerinnen und ein Schüler des Französisch-Leistungskurses der MSS 11 gemeinsam mit Frau Florence Kernec’h an einem Workshop zur Thematik der zukünftigen EU teil, der sie in ihrer Denkweise über unser europäisches Zusammenleben sehr prägte. Am Workshop nahmen diese SchülerInnen mit ihrer Stammkursleiterin allerdings nicht alleine Teil, aus den folgenden Partnerstädten von Kaiserslautern nahmen Gruppen von jeweils vier SchülerInnen und jeweils einem Lehrer außerdem teil:
- Brandenburg a.d. Havel, Deutschland
- Saint-Quentin, Frankreich
- Pleven, Bulgarien
- Banja Luka, Bosnien-Herzegowina
Die Organisation des Workshops haben wir Frau Heide Schmitt aus dem Rathaus Kaiserslautern zu verdanken. Frau Schmitt ist zuständig für die Städtepartnerschaften der Stadt Kaiserslautern und setzt sich maßgeblich für die Vertiefung unserer Städtepartnerschaften ein. Schon die Begrüßung am 2. Mai stand unter europäischer Flagge. Mit Saint-Quentin verbindet Kaiserslautern eine sehr lange und sehr innige Städtepartnerschaft, die sich in der Vergangenheit auch in mehreren Austauschen mit dem BurgGymnasium gezeigt hat. Die Schülergruppe aus Banja Luka fand sich trotz der Tatsache, dass ihr Herkunftsland kein EU-Mitglied ist, sehr gut ein und stach hervor mit der Präsentation ihrer Heimatstadt. Als Kommunikationssprache legte man sich auf Englisch fest – eine Sprache, die, wie sich herausstellte, jeder der Workshop-Teilnehmer so gut wie einwandfrei beherrschte. Am nächsten Tag stand alles auf dem Plan, nur nicht das Ausschlafen: Schon um 07:30 Uhr ging es mit dem Bus nach Luxemburg.
Luxemburg ist eine Stadt im Zentrum Europas, die zahlreiche europäische Institutionen beherbergt. So auch den europäischen Rechnungshof, den wir besichtigen würden.
Nach knapp zwei Stunden Busfahrt fanden wir uns in den Innenräumen des europäischen Rechnungshofes wieder. In einem Konferenzsaal erwartete uns ein Brite, der uns über die Tätigkeiten, den Zweck und die Grundprinzipien des europäischen Rechnungshofes berichten sollte. Dass es sich bei dem Referenten um einen Briten handelte, spielte in diesem Fall eine entscheidende Rolle. Denn, anders als geplant, fand neben der Präsentation des europäischen Rechnungshofes auch noch eine Diskussion über das Brexit-Drama statt. Diese Diskussion wurde mit besonders viel Elan und kontroversen Beiträgen von den aus Bosnien-Herzegowina stammenden Schülern geführt. Bei dieser ersten Diskussion wurden die SchülerInnen in objektivem Rahmen über viele Sachzusammenhänge aufgeklärt, die eine entscheidende Rolle in der Brexit-Entscheidung spielten und bis heute spielen. So wurde zum Beispiel klar, dass das britische Wählervolk von beiden Seiten der Brexit-Kampagne in verschiedenem Ausmaß manipuliert worden ist. Es gab auf beiden Seiten der Kampagne (Pro-Brexit, Contra-Brexit) Argumente, die schlicht gelogen waren und keinen Bezug zur Realität hatten. Ein Beispiel für eine solche Lüge ist, dass die britische Wirtschaft nach der Entscheidung, aus der EU auszutreten, um 99% schrumpfen würde. So utopisch das auch klingen mag, diese Übertreibung wurde von vielen britischen Bürgern geglaubt und spricht so die Contra-Brexit-Seite von einer Manipulation des Wählervolkes nicht frei. Auch wurde sich bei der Brexit-Diskussion über rechtspopulistische Bewegungen in Europa ausgesprochen. An einer Stelle wurde von Diskutanten die Hoffnung geäußert, dass die großen Parteien in Zukunft wieder mehr Zulauf gewinnen würden und so für die Gewährleistung einer starken Demokratie sorgen würden. An einer anderen Stelle gab es konkrete Lösungsvorschläge, wie mit Rechtspopulismus umzugehen sei. Zum Beispiel gab es die Idee, mit den Vertretern von rechtspopulistischen Bewegungen zu sprechen, statt im Umgang mit ihnen auf Ignoranz und Ausschluss zu setzen.
Nach dieser wirklich beeindruckenden Informations- und Diskussionsrunde in den Räumen des europäischen Rechnungshofes, war es nun Zeit für eine Erkundungstour durch einen Teil Luxemburgs, nämlich dem Kirchberg. Der Kirchberg ist nicht ohne Grund auch bekannt als das Europaviertel Luxemburgs, wie wir nun erfahren sollten. Die Tour durch die Europastadt Luxemburg war sehr informativ und man kann sagen, dass gerade der Kirchberg Luxemburgs durchaus sehenswert ist. Viele Menschen schwärmen von der Altstadt Luxemburgs – diese konnten wir leider aus Zeitgründen nicht besichtigen. Auf dem Kirchberg haben viele sehr wichtige Europäische Institutionen ihren Platz, so auch der Cour de Justice de l’Union Européenne, der Europäische Gerichtshof. Der Gebäudekomplex des Europäischen Gerichtshofes ist riesig und er wurde im Laufe der Geschichte ganze fünf Mal erweitert. Der Europäische Gerichtshof hält die judikative Gewalt der Europäischen Union inne, in ihm werden Fälle verhandelt, die einer gesamteuropäischen Lösung bedürfen und nicht durch jedes Land einzeln entschieden werden sollten. Ein weiterer Bestandteil unserer Besichtigung des Kirchberg-Plateaus war die Europäische Investmentbank, kurz EIB. Das Gebäude verfügt über eine vollständig gläserne Fassade, als Zeichen für die Transparenz der Institution gegenüber den europäischen Bürgern. In Luxemburg konnte man beobachten, dass besonders viele Straßen die Namen von Personen tragen, die von besonderer Bedeutung für die Weltgeschichte der Neuzeit waren und es heute auch noch sind. So gibt es zum Beispiel einen „Boulevard Konrad Adenauer“ oder eine „Rue John Fitzgerald Kennedy“.
Im Anschluss an diese sehr informative und gehaltvolle Tour, die uns nicht nur in die Arbeitsweise einiger europäischen Institutionen einweihte, sondern uns auch die äußerlichen Repräsentationen der Institutionen veranschaulichte, waren sämtliche SchülerInnen ausgelaugt und im Grunde genommen bereit für die Busfahrt zurück nach Kaiserslautern. Nach der Ankunft in Kaiserslautern und einem gemeinsamen Essen ging es für die Gruppen aus Brandenburg, Bulgarien, Bosnien-Herzegowina und Frankreich zurück zum Jugendzeltplatz der Feuerwehr in der Nähe des Gelterswooges zur Übernachtung. Die folgende Nacht wurde ausgiebig zum Ausruhen genutzt – aus gutem Grund: Der eigentliche Teil des Workshops, der ganz besonders die Europawahlen in den Fokus stellen sollte, hatte noch zu folgen.
Am Samstagmorgen gegen 10:30 Uhr trafen sich alle Gruppen in der Eingangshalle des Rathauses. Vor uns lag der spannendste und ergebnisreichste Teil des Workshops zur Thematik der Europawahlen. Nachdem wir uns in voller Mannschaftsstärke in den Ratssaal begeben hatten, erwarteten uns zwei Eingangsreden vom Beigeordneten der Stadt Kaiserslautern Herrn Peter Kiefer, sowie vom Leiter des Europa Direct Informationszentrum Kaiserslautern, Herrn Gerhard Degen. In den beiden Eingangsreden wurde unter anderem auf die Herausforderungen, welche die EU in Zukunft meistern müssen wird, eingegangen. So fanden „fake news“ ihre Erwähnung, aber auch die Meinung, dass etwas gute Musik und Spaß am Arbeiten und Diskutieren dazugehören. Letzteres könnte die Lösung für die Herausforderung sein, mehr Jugendliche für Politik zu begeistern – mit etwas guter Musik und einer Menge Spaß. Man konnte von Glück sprechen, dass die Jugendlichen im Ratssaal politisch schon interessiert waren, so reichte die Leidenschaft am Diskutieren schon aus, um Spaß zu generieren. Auf die gute Musik konnte also getrost verzichtet werden! Nach den beiden Eingangsreden stellte sich Frau Sonja Hümmer vor. Frau Hümmer arbeitet beim Institut für europäische und internationale Zusammenarbeit und führte uns von diesem Zeitpunkt an durch den gesamten Workshop.
Begonnen wurde mit einer Einführung in die Grundsätze der europäischen Idee und uns wurden von Frau Hümmer viele verschiedene Fakten präsentiert. So wurde darüber gesprochen, wer die Schöpfer der europäischen Idee waren, nämlich Robert Schuman und Jean Monnet, oder wer aktuell die bedeutendsten Ämter der Institutionen der Europäischen Union bekleidet. Das Erscheinungsdatum dieses Artikels auf der Seite unserer Schülerzeitung Perspektive ist übrigens nicht einfach so gewählt – heute ist der 9. Mai, der „Europe Day“. Am 9. Mai 1950 wurde nämlich die Erklärung Robert Schumans zur Neukonstruktion Europas veröffentlicht, wie wir während unseres Workshops erfuhren. Also, aus gegebenem Anlass: Happy Birthday, Europe! Für Diskussionsbedarf sorgte eine Karikatur, die wir zu sehen bekamen. Bei der Karikatur ging es darum, dass die Europäischen Institutionen ihrer Verpflichtung, im Wohle der Demokratie zu handeln, nicht nachkommen würden. Die Demokratie wurde personifiziert als Frau dargestellt und symbolisch mit einer Schranke aus einem europäischen Regierungsviertel ausgeschlossen. Die männlichen Schüler der Gruppe aus Bosnien-Herzegowina nutzten diese Karikatur als ein Sprungbrett für ihre nun folgenden Wortbeiträge. Diese Wortbeiträge drehten sich unter anderem darum, dass wir nur die „guten Seiten“ der Europäischen Union sähen. Die Schüler brachten Bezüge zu Sachverhalten in ihrem eigenen Heimatland ein, versäumten dabei aber den Übergang zum Themenkomplex der Europäischen Union. Trotz alledem war es eine interessante Diskussion und veranschaulichte den Zuhörern dieser Diskussion, welche Kritik in welchem Rahmen an der EU geäußert wird. Ob man der Kritik zustimmt oder nicht, ist hierbei jedem selbst überlassen. Denn, und das ist eine wichtige Lehre, die wir als Teilnehmer des Workshops mitnahmen: Vielfalt bedeutet auch Kritik.
Nach dieser Hochphase der Diskussion war es Zeit für eine Mittagspause, welche einige der Besucher aus den Partnerstädten dazu nutzten, kurz die Innenstadt zu erkunden.Den letzten Abschnitt unseres Workshops widmeten wir einer Arbeit in Gruppen, während der wir die Grundbausteine und Funktionsweisen der wichtigsten Europäischen Institutionen erarbeiteten. Jeder Gruppe wurde dabei eine Institution zugewiesen und am Ende der Gruppenarbeit standen die Präsentationen einer jeden Gruppe, die man jeweils als sehr aufschlussreich charakterisieren kann.
Das Finale des IPZ-Workshops zur Thematik der Europawahlen wurde von viel Initiative und Input seitens der Schülerinnen und Schülern dominiert. Es ging im Großen und Ganzen darum, Aspekte und Vorschläge zu einer Weiterentwicklung der Europäischen Union in der Zukunft zu sammeln. Allerdings gab es auch Gelegenheiten, bei denen man sich dazu äußern konnte, was einem an der Europäischen Union in ihrer momentanen Verfassung besonders gefällt oder vielleicht auch missfällt. Wir Jugendliche benannten zum Beispiel Herausforderungen, denen sich die Europäische Union in der nächsten Legislaturperiode auf jeden Fall stellen muss. Hier kam unter anderem die Verarbeitung des psychologischen, aber auch wirtschaftlichen Brexit-Traumas oder die Bekämpfung von rechtsnationalen Anti-EU-Bewegungen auf. Um einen Punkt hinter den gesamten Workshop zu setzen, ziehe ich nun eine Bilanz der ganzen Veranstaltung, die dankenswerterweise von Frau Heide Schmitt aus dem Rathaus Kaiserslautern organisiert wurde.
Der Workshop klärte uns Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Herkunftsländern nicht nur in erheblichem Maße über die Funktionsweise und Wichtigkeit der Europäischen Union auf, sondern verschaffte uns gleichermaßen eine kulturelle Weiterentwicklung. Diese kulturelle Weiterentwicklung bestand darin, dass wir verschiedene Menschen aus verschiedenen europäischen Ländern kennenlernten und mit ihnen kommunizierten. Dabei lernten wir viel darüber, wer eigentlich in Europa lebt.Folglich haben wir während unseres Europa-Workshops eine zukunftswichtige Tatsache durch kulturellen Austausch realisiert:
Wir sind Europäer.
Hiermit bedanke ich mich im Namen aller Teilnehmenden des IPZ-Europa-Workshops bei sämtlichen Organisatoren der Veranstaltung. Ein ganz besonderer Dank geht dabei an Frau Heide Schmitt, verantwortlich für die Städtepartnerschaften der Stadt Kaiserslautern.
Simon Tritschler, Chefredakteur