Jedes Jahr rufen die Fouqué-Bibliothek und das Brandenburger Wochenblatt BRAWO den stadtweiten Undine-Wettbewerb aus. In der ersten Stufe des Wettbewerbs können junge Literaten im Alter von 7 – 25 Jahre ihre eigenen Märchen einreichen, in der zweiten Stufe werden bildkünstlerische Darstellungen der zuvor eingereichten Märchen von Kindern und Jugendlichen entgegen genommen.
In diesem Jahr musste die Siegerehrung der Märchen-Beiträge zum 16. Undine-Wettbewerb leider ausfallen. Um die literarischen Werke dennoch zu ehren – und um den Familien in Brandenburg an der Havel eine kreative Abwechslung zu bieten – werden seit dem 27.03.2020 jedes Wochenende (freitags und samstags) zwei Siegermärchen vorgestellt.
„Vom Burschen, seinem habgierigen Nachbarn und der Prinzessin“
Sonderpreis für ehrlich verdiente Verwandlungen
Autorin: Hannah Marie Weise, 10 Jahre, evangelische Grundschule Brandenburg an der Havel
"Vor langen Zeiten, als das Wünschen noch half, lebte in einer gebirgigen Landschaft ein armer, aber gutaussehender Bursche. Dieser hatte einen Nachbarn, der sehr habgierig war. Der Bursche ging eines Tages in den Wald, um Holz zu holen. Der Wald lag an einer steilen Küste, was dem Burschen sehr gefiel, denn er ging oft dorthin, um frische Seeluft einzuatmen. Doch plötzlich sah er eine Höhle, die vorher noch nicht da gewesen war. Da drinnen leuchtete es. Er ging hinein und war sehr erstaunt. Doch auf einmal schloss sich die Steinwand hinter ihm und er war eingesperrt. Der Bursche nahm allen Mut zusammen und ging tiefer in die Höhle hinein. Plötzlich hörte er Stimmen und tatsächlich da war ein Mensch, der mit einem Spiegel sprach. Der Bursche fragte sich selbst: Warum redet der mit einem Spiegel? Doch da erkannte er, dass es sein Nachbar war, der da mit dem Spiegel redete. Auf einmal sprang der Nachbar in den Spiegel und war weg. Der Bursche war so neugierig, dass er zum Spiegel ging und ebenfalls hineinsprang.
Er wachte auf einer wunderschönen Wiese auf. Plötzlich stand ein Zauberer vor ihm und sagte: „Du hast eine Aufgabe, du musst den bösen Zauber brechen aber pass gut auf, dass dich niemand hindert diese Aufgabe zu erfüllen! Wenn du den bösen Zauber gebrochen hast, dann bekommst du eine Belohnung.„ Gerade wollte der Bursche noch eine Frage an den Zauberer stellen, da war er auch schon verschwunden. Somit machte er sich mit sehr gemischten Gefühlen und unzähligen Gedanken auf den Weg und hatte vor, den Bann zu brechen. Beim Gehen war es ihm so, als ob jemand auf seine Schulter tippte, aber es war niemand zu sehen. Also ging er weiter und war wieder in Gedanken versunken, was sich ihm wohl für Aufgaben stellen würden und welche Belohnung er erhielte, wenn er es schaffen würde, den bösen Zauber zu brechen. Da tippte wieder etwas ihn an und nun konnte er erkennen, dass es ein Zwerg war. Er hatte kleine rote Stiefelchen an, einen schwarzen Gürtel, mit goldener Schnalle um sein blaues Jäckchen gebunden, eine grüne Hose an und eine gelbe Zipfelmütze auf. Auf einem Mal kam ein zweiter und dann noch ein dritter Zwerg hinzu. Der Bursche fragte sie, wo sie herkommen und was sie von ihm wollen. Da sagten die drei Zwerge, wie aus einem Mund: „Wir haben das Gespräch von dir und dem Zauberer mitbekommen und nun wollen wir dir dabei helfen, den bösen Zauber zu brechen.“ Da freute sich der Bursche sehr, denn nun war er nicht mehr allein. Er sagte zu den dreien: „Au fein, ich freue mich sehr, dass ihr mir helfen wollt. Gehen wir gemeinsam!"
Sie gingen alle zusammen los, doch plötzlich kam fontänenartig, ganz viel heißes Wasser aus dem Erdboden geschossen und als sie sich umsahen, stellten sie fest, dass sie in einer ganz anderen Welt sich befanden. Gemeinsam überquerten sie einen sehr tiefen, kalten, reißenden Fluss und einer der drei Zwerge schrie laut auf: „Da vorne, schaut hin, dort steht ein wunderschönes, weißes Schloss, mit goldenen Turmspitzen!„ Obwohl sie schon sehr erschöpft waren von der bisherigen, zurückgelegten Strecke, gingen sie nun noch schneller, damit sie das noch weit entfernte Schloss schnell erreichen. Als sie völlig abgekämpft, hungrig und müde beim Schloss ankamen und auf ein leckeres Essen und auf ein gemütliches Bett sich freuten, schoss ein fünfköpfiger Riesendrache hervor und griff den Burschen und seine drei treuen Begleiter an. Jedoch hatte er keine Chance, denn die drei Zwerge stellten sich aufeinander und wuchsen mit einem Mal zu einem Riesen heran, der zweimal größer und kräftiger war als der Drache. Der Riese nahm es mit dem Drachen auf, schmetterte ihn gegen die Schlossmauern, so, dass der Drache zerbrach und aus ihm weitere fünf Zwerge entstanden. Diese sprachen alle im Chor zum Burschen: „Du musst die Prinzessin im Schloss retten. Sie wird von einer schrecklichen, alten Hexe gefangen gehalten.“
Der Bursche nahm all seinen Mut zusammen und ging in das Schloss hinein. In der Eingangshalle stand ein riesengroßer Löwe aus Stein, der aber laut und angsteinflößend brüllte: „Gehst Du nach rechts ab, kannst du die Prinzessin retten, aber du wirst höchstwahrscheinlich dein Leben verlieren ... gehst du jedoch nach links ab, wirst du dieses Schloss unbeschadet wieder verlassen!„ Er überlegte kurz und fragte den Löwen: „Und was ist, wenn ich einfach hier stehenbleibe?“ Darauf antwortete dieser: „Dann wirst du zu Staub zerfallen. Ach, und noch eine Sache, du hast nur einen ganzen Tag und eine ganze Nacht Zeit, um zu lösen, was hinter den Türen verborgen ist.„ Der Bursche dachte noch einmal über alles nach, auch über die Worte des Zauberers: „Du hast eine Aufgabe, du musst den bösen Zauber brechen aber pass gut auf, dass dich niemand hindert diese Aufgabe zu erfüllen! Wenn du den bösen Zauber gebrochen hast, dann bekommst du eine Belohnung.“ Nach reiflicher Überlegung entschied sich der Bursche für die rechte Tür, welche zwar nichts Gutes verheißen würde, aber die Prinzessin retten und eine Belohnung zu erhalten, spornte ihn sehr an. Die Tür war eine verzauberte Tür, welche ihn weiter ins Schloss hineinzog.
Auf einem Mal sah er zwei große, wunderschöne, kraftvolle und schneeweiße Hengste. Einer rief ihm zu: „Folge deinem Herzen und du findest den richtigen Weg!„ Der Bursche fragte sich, was damit wohl gemeint war. Aber bevor er noch etwas erwidern konnte, verwandelten sich die beiden wunderschönen Tiere in eine Nachtigall. Und nach einem weiteren Augenaufschlag sah er ganz viele Nachtigallen, welche allesamt im Chor zu ihm sprachen: „Folge uns, folge uns, wir bringen dich zur Prinzessin. Aber pass gut auf, denn dein habgieriger Nachbar ist auch auf dem Weg die Prinzessin zu befreien und natürlich die Belohnung einzukassieren!“ Plötzlich waren die Vögel weg, doch der Bursche lief den Weg immer weiter und vor ihm lagen riesige Felsbrocken, unter denen es aber keinen Boden gab. Er sprang also von Brocken zu Brocken und sah sich sehr vor, nicht daneben zu treten. Am Ende dieses beschwerlichen Weges erblickte er seinen Nachbarn, der einen enormen Vorsprung hatte und ihm gehässig entgegengrinste, so, dass ihn fast sein Mut verließ. Doch plötzlich kam ein kleiner Kobold zum Vorschein und verlieh ihm Flügel, sodass er über den Rest des kräftezehrenden Steinweges hinwegfliegen konnte, seinen Nachbarn überholte und vor ihm bei der Höhle, in der die Prinzessin von der Hexe gefangen gehalten wurde, ankam.
Am Höhleneingang ragte ein Kopf einer Sphinx aus der Wand, welche zu ihm sagte: „Streng Dich an, beeil dich, es verbleibt dir nicht mehr viel Zeit die Prinzessin zu retten. Die Hexe bereitet schon einen Trank für den ewigen Schlaf der Prinzessin vor.„ Der Bursche wollte sie noch befragen, wo er entlang gehen sollte, jedoch gab sie keine Antwort. Er fasste noch einmal alle Kräfte und seinen Mut zusammen und betrat die Höhle. Dort sah er die Hexe am Kessel stehen und den Sud kochen und die wunderhübsche, anmutige Prinzessin saß in einer Ecke, umgeben von Staub und Spinnweben und flehte die Hexe an, sie gehen zu lassen und dafür all ihre Besitztümer zu erhalten. Doch die Hexe lachte nur bitter und erwiderte in einer schrecklichen, das Blut in den Adern gefrierenden Stimme: „Niemals lasse ich dich gehen, du bist mein Jungbrunnen, durch dich werde ich wieder hübsch und jung aussehen!“ Der Bursche ging zur Hexe und befahl: „Lass sie gehen, sonst wirst du was erleben!„ Die Hexe lachte nur schallend auf und fragte belustigt: „Was werde ich sonst erleben?“ Um ihre Macht noch mehr zu verdeutlichen verwandelte sie die Prinzessin in einen schwarzen, stattlichen Mustang, schwang sich auf seinen Rücken und ritt im gestreckten Galopp, durch die Wand hindurch, fort. Ohne zu zögern tat es ihr der Bursche gleich, ging durch die Wand hindurch und kam auf einer saftigen Blumenwiese, mit einem Bach durchzogen an, worauf unzählig viele schwarze Mustangs grasten. Voller Freude und Anmut dieses Anblicks vergaß er für einen kurzen Moment, warum er eigentlich hier war. Doch der Anblick der Hexe, die plötzlich vor ihm stand, holte ihn aus seiner Starre zurück. Sie sagte zu ihm: „Finde den Mustang heraus, welcher die verzauberte Prinzessin ist. Wenn du das in der nächsten halben Stunde schaffst, dann ist die Prinzessin frei und verwandelt sich zurück!" Der Bursche wollte sie noch bitten, ihm etwas mehr Zeit zur Verfügung zu stellen, doch da war die Hexe mit einem Puff und einer Staubwolke auch schon wieder verschwunden.
Er fing an die Mustangs zu betrachten, stellte jedoch schnell fest, dass er es niemals in der kurzen Zeit schaffen würde, wenn er sich jeden einzelnen genau ansieht. Er dachte nach und dabei fiel ihm ein, dass die Prinzessin einen Armreif trug, bevor sie verzaubert wurde. Er konzentrierte sich bei seiner Suche auf die Vorderbeine der Tiere, jedoch raste die Zeit immer noch so schnell vorbei und er konnte den richtigen Mustang nicht herausfinden. Kurz, bevor die halbe Stunde verstrichen war, sah er einen Mustang, welcher einen Abdruck im Fell hatte, was dem Armreifen gleichkam. Er schrie: „Hexe, zeig dich, ich habe den richtigen Mustang gefunden!„ Die Hexe erschien vor ihm und fragte ihn mit krächzender Stimme: „Hast Du dich wirklich richtig entschieden? Du hast keinen zweiten Versuch. Wenn du falsch liegst, seid ihr beide verloren, hahahaha!“ Der Bursche erwiderte kraftvoll und keine Zweifel zulassend: „JA! Ich habe mich entschieden. Dieser Mustang hier ist die Prinzessin!„ Sobald er das ausgesprochen hatte, war die Verwandlung aufgehoben, die hübsche Prinzessin stand vor ihm und die böse Hexe schrie laut auf: „NEIN! Du hast den Zauber gebrochen.“ Und sie verwandelte sich in eine hässliche, mit Warzen übersäte, stinkende, alte Kröte. Der Bursche war überglücklich, dass er es geschafft hatte, den Zauber zu brechen, die Prinzessin zu retten und auch, dass er noch am Leben war. In diesem glücklichen Moment kam auf einem Mal sein habgieriger Nachbar zum Vorschein und war der Meinung, dass sie alles zusammen geschafft haben und er von der Belohnung somit die Hälfte abbekäme. Aber als er dieses äußerte, verwandelte auch er sich, nämlich in einen Mistkäfer und krabbelte schnell davon. Da sprach die Prinzessin zu ihm: „Die Belohnung für deine heldenhaften Taten ist, dass du mich zur Frau nehmen darfst und wir in meinem Schloss leben werden.„ Der Bursche konnte sein Glück kaum fassen und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.“