Forschungsergebnisse über eine der ältesten Glasmalereien Brandenburgs werden am 18.10.2007 öffentlich vorgestellt
Am 10. Juli 2007 gaben die Oberbürgermeisterin der Stadt Brandenburg, Dr. Dietlind Tiemann, Friedrich-Wilhelm von Rauch, Geschäftsführer der Ostdeutschen Sparkassenstiftung im Land Brandenburg und Andreas Fellmann, Vorstandsmitglied der Mittelbrandenburgischen Sparkasse in Potsdam den Startschuss für die Spendenaktion zugunsten der Restaurierung und Rückführung des mittelalterlichen Chorscheitelfensters des St. Pauli-Klosters Brandenburg an der Havel. Jeder von Bürgerinnen und Bürgern bis Ostern 2008 gestiftete Euro bis zu einer Gesamtspendenhöhe von 22.000 Euro wird verdoppelt, um mit Bürgerengagement die wertvollen Glasmalereien zu restaurieren und an ihrem ursprünglichen Standort im Chor der St. Paulikirche wieder einzubauen.
Das Thema der Glasmalereien, die zu den ältesten erhaltenen Beispielen ihrer Art im Land zählen, ist so spannend wie die Geschichte des Fensters selbst: Entstanden im 14. Jahrhundert für den Chor der St. Paulikirche und im 19. Jahrhundert neu geordnet und mit Resten jüngerer Glasmalereien ergänzt, wurde das Fenster 1942 im Rahmen des Luftschutzprogramms ausgebaut, im Keller der St. Gotthardtkirche fast 30 Jahre lang eingelagert und 1975 in der St. Katharinenkirche vorübergehend eingebaut.
Der Ausbau des Fensters vor 2 Jahren aus der St. Katharinenkirche zum Wiedereinbau in der St. Paulikirche gab Gelegenheit für eine Fotokampagne und für eine Bestandsaufnahme der einzelnen Felder. Die Erstellung eines Schadensbildes und die kunsthistorische Bearbeitung des Fensters erfolgt im Rahmen der Inventarisierungsarbeit der Arbeitsstelle für Glasmalerei (CORPUS VITREARUM MEDII AEVI) an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften im Hinblick auf den für 2009 angekündigten Band „Die mittelalterlichen Glasmalereien in Berlin und Brandenburg“. In diesem Zusammenhang werden auch der Stil und die Ikonographie der Glasmalereien aufgearbeitet und ihre Entstehung und Funktion innerhalb des Kirchenraums rekonstruiert (http://cvma.bbaw.de). Das CORPUS VITREARUM MEDII AEVI (CVMA) Deutschland/Potsdam ist Teil des Internationalen CVMA, an dem 12 europäische und mit Kanada und den USA auch zwei außereuropäische Länder mitwirken, zu deren kulturellem Erbe mittelalterliche Glasmalereien zählen.
Die außergewöhnliche Situation der ausgebauten Felder des Paulifensters gab Gelegenheit, an der TU Berlin im Fachbereich Kunstgeschichte ein Seminar zum Thema mittelalterliche Glasmalereien in Brandenburg anzubieten.
Die dabei erzielten Ergebnisse werden von Privatdozent Dr. Frank Martin (CVMA Deutschland/ Potsdam) und einer Auswahl von Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminars im Rahmen eines öffentlichen Vortrags am 18. Oktober 2007 um 19:00 Uhr in der St. Paulkirche vorgestellt, zu dem alle Interessierten herzlich eingeladen sind.
Die Veranstaltung soll gleichzeitig genutzt werden, um über den aktuellen Stand der Spendenaktion „Aus 1 mach 2 – Neue Aussichten für das Chorscheitelfenster des St. Pauliklosters in Brandenburg an der Havel“ zu informieren und für weitere Spenden zu werben.
Der Eintritt ist frei! Für Spenden steht eine Spendenbox bereit.
Das 1286 gestiftete Dominikanerkloster St. Pauli gehört trotz kriegsbedingter Teilzerstörung auch heute noch zu den bedeutendsten Vertretern der Backsteingotik im Land Brandenburg. Die erhaltenen Glasmalereien des Chorscheitelfensters datieren um 1330. Die erzählende Handlung der Glasmalerei zeigt in der Mittelbahn von unten noch oben die Geschichte Jesu von der Geburt bis zur Himmelfahrt. Den 8 neutestamentarischen Szenen der Mittelbahn sind seitlich je 7 erklärende alttestamentarische Darstellungen zugeordnet. Somit folgt die Glasmalerei dem typologischen Verglasungsprogramm nach dem Schema der Armenbibel: Allen, die des Lebens und Schreibens unkundig waren, wird hier die Zusammengehörigkeit des Alten und Neuen Testaments bildlich erklärt.
Die Glasmalereien der Kirche des St. Pauli-Klosters sind nicht nur von herausragender historischer, sondern auch kunsthistorische Bedeutung. Sie zählen zu den ältesten im Land; das Typologiefenster zu den am besten erhaltenen in den neuen Bundesländern.
Die Ausstattung von St. Pauli wurde 1945, als die Kirche und das Kloster bis auf ihre Umfassungswände nieder brannten, fast vollständig zerstört. Die Glasmalereien jedoch waren im Rahmen des Luftschutzprogramms zur Sicherung nationaler Kulturgüter bereits 1942 ausgebaut und in den Kellern von St. Gotthardt in Sicherheit gebracht worden. Hier lagerten sie fast 30 Jahre bis das Fenster vorübergehend im Chor von St. Katharinen eingebaut wurde.
Nach Zustimmung des Gemeindekirchenrates der Katharinengemeinde zur Rückführung des Chorscheitelfensters an seinen ursprünglichen Einbauort in die Kirche des St. Pauli-Klosters erfolgte 2006 der Ausbau des Fensters. Hierbei wurde der unerwartet hohe Restaurierungsbedarf deutlich. Sowohl die mittelalterlichen Malereien, als auch die Ergänzungen des 19. Jahrhunderts sind stark in Mitleidenschaft gezogen.
Denkmalpflegerisches Ziel ist es, bei der Restaurierung soviel wie nötig und so wenig wie möglich zu tun, um die Originalbestände dauerhaft und möglichst unverfremdet zu erhalten und dem Kirchenraum somit ein außerordentlich bedeutendes originales Ausstattungsstück und einen Teil seines authentischen Aussehens zurück zugeben.
Dies soll mit großem Bürgerengagement, unterstützt durch die Ostdeutsche Sparkassenstiftung im Land Brandenburg und die MBS in Potsdam gelingen.
(Gemeinsame Pressemitteilung der Stadt Brandenburg an der Havel und der Arbeitsstelle für Glasmalerei (CORPUS VITREARUM MEDII AEVI) an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften)