Kreisreform: Oberbürgermeister weisen Leitbildentwurf des Innenministeriums zurück

Pressearchiv - Meldung vom 19.05.2015

Pressemitteilung vom 19.05.2015

Leitbildentwurf zur Verwaltungsstrukturreform erfüllt nicht den Auftrag des Landtags

Die Oberbürgermeister der Städte Brandenburg an der Havel, Frankfurt (Oder) und Cottbus, Dr. Dietlind Tiemann, Dr. Martin Wilke und Holger Kelch, weisen den heute von der Landesregierung vorgelegten Leitbildentwurf zur geplanten Verwaltungsstrukturreform als unausgegoren zurück. Die Landesregierung sei dem klaren Auftrag des Landtages nicht nachgekommen.

Die Koalitionsfraktionen im Landtag hatten mit dem Beschluss zur Leitbildentwicklung (Drs. 6/247 vom 17.12.2014) der Landesregierung einen klaren inhaltlichen Auftrag gegeben und diese aufgefordert, ein Leitbild vorzulegen. Dieses sollte durch eine umfassende Funktionalreform Klarheit über die zukünftige Aufgabenwahrnehmung im Land verschaffen. Darüber hinaus sollte es klare Aussagen über die Neuordnung der Finanzen machen und erst darauf aufbauend Fragen einer möglichen Änderung von Gebietsstrukturen nachgehen.

„Gemessen an diesem Auftrag des Landtags ist der vor der Sommerpause schnell noch vorgelegte Leitbildentwurf des Innenministeriums ein inhaltlich unzulänglicher Schnellschuss, welcher bei Weitem nicht die konkreten Forderungen des Landtags erfüllt. Stattdessen verrennt sich das Innenministerium in Überlegungen zu statistischen Einwohnerkennzahlen und Gebietsgrößen, ohne dabei den Besonderheiten unseres Flächenlandes gerecht zu werden.“ so Frankfurts Oberbürgermeister Dr. Martin Wilke.

Brandenburgs Stadtoberhaupt Dr. Dietlind Tiemann erklärt dazu: „Dass das Innenministerium die Kreisfreiheit der historischen Städte Brandenburg an der Havel, Frankfurt (Oder) und Cottbus mit gerademal einer halben Seite Text (S.16) vom Tisch fegt, kann man nur als oberflächlich bezeichnen. Man kann die Menschen und die gewachsenen Identitäten nicht einfach wie Figuren auf einem Schachbrett hin und her schieben!“ kritisiert Tiemann den mit 23 Seiten denkbar dünnen Entwurf, dessen Rest aus Anlagen besteht.

„Die wenigen Überlegungen zur Funktionalreform, d.h. der möglichen Übertragung von Aufgaben der Landesebene auf die Kommunen und von Landkreisen auf die Gemeinden, betreffen im Wesentlichen administrative Randbereiche. Es wird klar, dass das Land nicht wirklich große Aufgabenblöcke an die Kommunen abgeben will. Für die vorgeschlagenen Punkte aber brauchen wir keine Gebietsreform, das können alle Landkreise und kreisfreien Städte in der jetzigen Struktur miterledigen.“, erklärt der Cottbuser Oberbürgermeister Holger Kelch, der deutlich macht, dass das Reformziel der Landesregierung immer noch nicht klar benannt werden kann.

Abschließend kritisieren die Oberbürgermeister unisono den bisherigen Umgang der Landesregierung mit dem Leitbildentwurf:

„Den von SPD/Linke angekündigten >offenen und breiten Bürgerdialog< gibt es bisher leider nur in der Form, dass das Innenministerium gezielt Informationen schon mit SPD-Landräten abspricht oder die Personalstelle des Einkreisungsreferenten ausschreibt. Die öffentlichen Zusagen des Ministerpräsidenten werden damit ad absurdum geführt. Es entsteht der Eindruck, dass die Aussagen zu einem ergebnisoffenen Bürgerdialog nur ein Lippenbekenntnis sind. Mit einem solchen Vorgehen schafft man kein Vertrauen bei den Bürgerinnen und Bürgern.“

Hintergrund:
Mit der Drucksache 6/247 vom 17.12.2014 hatten die Koalitionsfraktionen von SPD/Linken zur Leitbilddiskussion einen „breiten öffentlichen Dialog und eine intensive Diskussion ohne Zeitdruck“ beschlossen.
Für die Entwicklung des Leitbildentwurfes hatten SPD/Linke darin u.a. folgendes festgeschrieben:

1. Umfassende Funktionalreform unter konkreter Benennung zu übertragender Aufgaben und Ausgleich der finanziellen Mehrbelastungen
2. Reform der Landesverwaltung, Ausbau des E-Governments, Entwicklung des Verwaltungspersonals und finanzpolitische Ziele
3. Kreisgebietsreform und mögliche(!) Einkreisung kreisfreier Städte
4. Weiterentwicklung der gemeindlichen Verwaltungen
5. Festlegung von Einwohnerzahlen und maximal räumlicher Ausdehnung
6. Weiterentwicklung der Beteiligungs- und Entscheidungsrechte

Gemessen an diesen eigenen Zielvorgaben bleibt das Leitbild schon in Punkt 1 stecken: Das Innenministerium hat gerade keine weitreichenden Vorschläge für eine umfassende Funktionalreform, d.h. die Übertragung von bisherigen Landesaufgaben auf die kommunale Ebene und dann von den Land-kreisen auf die Gemeinden vorgelegt.

Auch die vom Landtag in der Drs. 6/247 beschlossene Einbeziehung des Abschlussberichts der Enquete-Kommission 5/2 in die Erarbeitung des Leitbildes bleibt unbeachtet: Die Enquete-Kommission hatte für die kreisfreien Städte ausdrücklich „die Erhaltung und Stärkung der oberzentralen Funktion“ beschlossen. Es bleibt bis heute das große Rätsel, wie man die kreisfreien Städte als Oberzentren stärken will, wenn man sie entmündigt und in ihren Rechten beschneidet.

Es erfolgen auch nicht die vom Landtag geforderten fundierten Darstellungen des Ausgleichs der finanziellen Mehrbelastungen, der Weiterentwicklung der gemeindlichen Verwaltungen und der lokalen Beteiligungsrechte der Bürger.

Insgesamt ist der Auftrag des Landtags zur Erarbeitung eines fundierten Leitbilds für die zukünftige Entwicklung des Landes Brandenburg mit dem schnell vor der Sommerpause vorgelegten Entwurf des Innenministeriums nicht erfüllt und sollte zurückgegeben werden.

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