Festveranstaltung zum 34. Tag der Deutschen Einheit im Dom warb für Frieden und Engagement
Beinah 35 Jahre nach der friedlichen Revolution und dem politischen Umbruch auf deutschem Boden hatten die Stadt Brandenburg an der Havel sowie der Rotary-Club Brandenburg am 34. Jahrestag der Deutschen Einheit zur 30. Festveranstaltung im Dom zu Brandenburg eingeladen.
Viele der Besucherinnen und Besucher leben mittlerweile länger im geeinten Deutschland, als in einem der geteilten deutschen Staaten und dennoch scheint es allen wichtig, auf die Zeit um 1989 zurückzuschauen, um unter anderem an jene Menschen zu erinnern, die im Herbst des Jahres 1989 den Mut hatten, auf die Straße zu gehen, sich auf Marktplätzen oder in Kirchen zu versammeln und für gesellschaftliche Veränderungen in der ehemaligen DDR zu demonstrieren.
Die 90-minütige Einheits-Feier wurde nach guter Tradition vom Präsidenten des Rotary-Clubs Brandenburg – in diesem Jahr Dr. Joachim Krekeler – moderiert und von den Brandenburger Symphonikern musikalisch begleitet. Chefdirigent Andreas Spering hatte als passende Musikstücke u.a. Ludwig van Beethovens Ouvertüre zu „Coriolan“ sowie den ersten Satz von Franz Schuberts Symphonie Nummer 3 D-Dur ausgewählt.
Verbal eröffnete Dr. Marianne Schröter, Vorständin für Kultur, Bildung und Wissenschaft des Domstift Brandenburg, die Zeitreise. Sie erinnerte an den Dom als einen der geschützten Räume während der friedlichen Revolution 1989 und die damit
„vollbrachte Erlösung von den politischen und gesellschaftlichen Einschränkungen.“
Oberbürgermeister Steffen Scheller knüpfte mit seiner Rede nahtlos an:
„Die große Mehrheit der Ostdeutschen hoffte auf Meinungs- und Reisefreiheit, auf wachsende Wirtschaftskraft, stärkeren Handel, bessere Arbeitsbedingungen und Wohnverhältnisse und zum Beispiel auch auf kürzere Wartezeiten für ein neues Auto. Und schließlich glaubten sie alle auch an die von Helmut Kohl versprochenen ‚blühenden Landschaften‘. Dass die Realität mit den guten Worten, vielen Versprechen und der großen Euphorie nicht so schnell Schritt halten konnte, wie erhofft, war insbesondere für viele der ehemaligen DDR-Bürger ein Erkenntnisprozess. Aber mit Abstand und auch mit Realismus betrachtet, wird klar, dass in einem Jahrzehnt nicht aufzuholen ist, was vier Jahrzehnte gänzlich anders und oft vernachlässigt war. Und dennoch haben wir in 34 Jahren deutscher Einheit so unglaublich viel geschafft.“
Steffen Scheller hofft:
„In weiteren sechs Jahren werden die Jahre seit der Wiedervereinigung mit den 40 Jahren des Bestehens der ehemaligen DDR gleichziehen. Diejenigen, die heute immer noch Ost- und Westunterschiede betonen, sollten spätestens dann anerkennen, dass die frühere Teilung endgültig überwunden ist und wir alle in diesem geeinten Deutschland weitestgehend gleichwertig leben.“
Er ist überzeugt:
„Wer sich die Zeit nimmt, unvoreingenommen die Stadt zu erkunden und die aktuellen Eindrücke mit den Erinnerungen vor 1990 zu vergleichen, kann nur zu dem Schluss kommen, dass unserer Stadt und uns selbst die Wende gutgetan hat."“
Seine Bitte lautet:
„Das, was zu tun bleibt, lassen Sie uns das gemeinsam anpacken. Auch jene, die stets das Haar in der Suppe suchen, sind aufgerufen, lieber anzupacken und mitzumachen, als Pessimismus oder Populismus zu verbreiten. Was wir brauchen sind Mutmacher, keine Mecker-Märker."“
Zum Mitmachen rief auch die Präsidentin des Landtages Brandenburg Prof. Dr. Ulrike Liedtke auf, die in diesem Jahr die Festansprache hielt und somit die namhafte Rednerliste fortsetzte – angefangen bei OLG-Präsident Dr. Peter Macke 1995 und weitergeführt unter anderem von Dr. Otto Graf Lambsdorff (1997), Dr. Manfred Stolpe (2009), Walter Momper (2015) und Markus Meckel (2022).
Ulrike Liedtke schilderte in ihrer 30-minütigen und dennoch kurzweiligen Rede, warum der Osten Vorbild und Labor für die Demokratie Deutschlands sei und warum Frieden das vordringlichste Ziel aller sein müsse.
Ein Teil der Wahlplakate zur Landtagswahl habe zwar für schnelle Lösungen geworben, die es aber nicht gibt.
‚Nie wieder Krieg‘, das haben wir gelernt und geglaubt. Frieden war für uns Normalzustand.
Pazifismus müsse man sich leisten können.
„Wer in Frieden lebt, braucht keinen Mut, um Pazifist zu sein.“
Bibel Online weise allein im Luther-Text 1.912 Mal das Wort Frieden aus. Doch habe es immer wieder Kriege auf der Welt gegeben, die durch die Ukraine nun nähergekommen sind.
„Statt die vielen Probleme auf der Welt gemeinsam zu lösen, fallen wir zurück auf Verhaltensmuster aus der Gewaltgeschichte: Männer kämpfen, Frauen fliehen, Waffen werden geliefert, neue Gräber ausgehoben, sterben für die Nation.“
Der russische Krieg richte sich nicht nur gegen die Ukraine, sondern
„gegen das Völkerrecht, die internationale Gemeinschaft, die Zivilgesellschaft und letztlich gegen die Werte der Demokratie.“
Ulrike Liedtke zitierte Bertolt Brecht:
„Kein Vormarsch ist so schwer wie der zurück zur Vernunft.“
Sie ist überzeugt:
„Handlungsunfähigkeit führt zur Politikverdrossenheit. Für die Arbeit des neuen Landtages wünsche ich mir ein konstruktives Miteinander."“
Das Miteinander der Gäste der Festveranstaltung endete in Gemütlichkeit – beim Gedankenaustausch bei Wein und Brezeln im Kreuzgang des Domes.