„Ein bei Wahlen verpasster Denkzettel gilt für vier oder fünf Jahre.“
Mit einem kurzen Rückblick startete die jüngste Kinder- und Jugendsprechstunde von Oberbürgermeister Scheller im Rolandzimmer des Altstädtischen Rathauses, in dem sich 13 Interessierte im Alter von 12 bis 24 Jahre auf den Austausch mit dem Stadtchef freuten.
Seit Jahresstart 2024 lädt Steffen Scheller etwa im 2-Monats-Rhythmus Kinder und Jugendliche zu derartigen Begegnungen ein, um das Interesse an Politik und Verwaltungsarbeit zu wecken, Einblick in das Tun im Rathaus zu gewähren und um von jungen Brandenburger und Brandenburgern zu erfahren, was sie bewegt und wo er helfen kann.
Das praxisnahe Beispiel folgte sogleich, denn dem stets geäußerten Wunsch nach mehr Sitzmöglichkeiten an beliebten Treffpunkten waren Taten gefolgt.
„Wir haben Bänke, die an der falschen Stelle standen, an bessere Orte gebracht – so stehen nun zwei Sitzbänke, die auf dem Rathaushof kaum genutzt wurden, an der nördlichen Packhof-Spitze, an der Treppe zur Näthewinde,“
berichtete der Stadtchef. Zwei weitere Bänke haben ebenfalls einen stärker frequentierten Platz gefunden: Ehemals vor dem Sportplatz in der Hammerstraße stehend, ergänzen sie – nach Aufarbeitung und Anstrich – nun am Heinrich-Heine-Ufer sowie im Theaterpark eine bestehende Bank im 90-Grad-Winkel.
Zum ebenfalls wiederholt angesprochenen Thema, wie Infomaterial über Stadtangebote sinnvoll an junge Zielgruppen zu bringen sei, kündete die Jugend-Beigeordnete Alexandra Adel von einer weiteren Vernetzung der Träger von Jugendarbeit und einem bevorstehenden Austausch im Jugendausschuss. Taten sollen folgen.
Sodann leitete Moderatorin Juliana Barg zum ausgesuchten Hauptthema über: der Öffentliche Personen-Nahverkehr (ÖPNV), weswegen von der Verkehrsbetriebe Brandenburg an der Havel GmbH (VBBr) Prokuristin Petra Hill vor Ort war. Um verstehen zu können, wie sich Taktungen und Linienbeziehungen ergeben, erläuterte sie die Planung des Schülerverkehrs. Die beginne stets im Mai mit einer Abfrage aller 24 Schulen der Stadt, um beispielsweise die Unterrichtszeiten und Schüleranzahl in Erfahrung zu bringen. Daraus wird der Bedarf an Bussen und Bahnen abgeleitet,
„leider haben diesmal nur 13 Schulen geantwortet,“
so Petra Hill.
Für zumutbare Schulwege liegt die Satzung über die Schulbeförderung der Stadtverwaltung Brandenburg an der Havel zugrunde, demnach als Maximum für die 1. bis 6. Klassen 45 Minuten pro Strecke bis 2 km gilt, für die 7. bis 10. Klassen 60 Minuten pro Strecke über 3,5 km und für die 11.- bis 13. Klässler 60 Minuten pro Strecke über 5 km. Berufsschülern können bis 90 Minuten zugemutet werden.
Zum Fuhrpark der VBBr zählen 33 Busse, davon 11 rund 400.000 Euro teure Gelenkbusse.
Die Tageslinien werden bis 20:00 Uhr bedient, die Nachtlinien sonntags bis donnerstags bis 0:30 Uhr, Freitag und Samstag bis 03:30 Uhr.
Daran schloss sich der erste Jugendwunsch an: Ob am Wochenende nachts eine Halbstunden-Taktung und in der Woche eine Verlängerung bis 01:30 möglich sei.
„Wir müssen uns anschauen, was das kostet und wie vielen es nutzt. Das können Sie, Frau Hill, gerne mal durchrechnen,“
antwortete Steffen Scheller als „Geldgeber“. 10 Millionen Euro gibt die Stadt inzwischen jährlich für den ÖPNV aus.
„Wir hatten schon mal einen Kostendeckungsgrad von 55 Prozent. Durch das 9-Euro oder auch 49-Euro-Ticket sind wir jetzt nur noch bei 35 %. Wir haben das Einnahmeniveau von 2019, die Aufwendungen aber sind um 37 % gestiegen. Die Lücke füllt der Zuschuss der Stadt,“
schilderte Petra Hill. Weil kaum Spielraum sei, um Wünsche nach mehr ÖPNV zu erfüllen, werde versucht, das Vorhandene optimal an die Bedürfnisse anzupassen.
Das gelinge, so beklagten einige Jugendliche, leider nicht immer. Speziell beim Nachtanschluss, wenn man beispielsweise aus Magdeburg mit der Bahn komme.
Das sei tatsächlich schwierig, so Petra Hill, weil die Masse aus Berlin komme. Daran sei der Anschluss ausgerichtet. Zudem komme der Zug aus Magdeburg nicht mehr zeitgleich.
„Wir können aber mit Bus oder Bahn nicht länger warten, um auf dem Rückweg die Fahrgäste auch wieder pünktlich zur Bahn bringen zu können. Wir müssten also den Verkehr verdoppeln, somit auch das Fahrpersonal, haben aber kaum mehr Gäste und Einnahmen. Das ist wirtschaftlich nicht darstellbar,“
erläutert die VBBr-Prokuristin, die wiederholt versichert:
„Im Rahmen der Möglichkeiten achten wir sehr auf Anschlussbeziehungen!“
Oberbürgermeister Steffen Scheller kennt das komplexe Thema bestens und sieht eine Möglichkeit der Verbesserung in einem Gespräch der Stadt und VBBr mit der ODEG zu den veränderten Bahn-Zeiten.
Um besser im Bilde über Fahrzeiten, Verspätungen und Anschlüsse zu sein, empfahl die Jugend-Beigeordnete Alexandra Adel, sich die VBBr-App herunterzuladen,
„die hilft enorm!“
Petra Hill nickte zustimmend und stellte sich weiteren Fragen: Demnach komme die erste der neuen bei Skoda bestellten Straßenbahnen im November, drei weitere nächstes Jahr. Fahrradstellplätze an Bushaltestellen könnten die VVBr aufgrund des eigenen Platzangebotes kaum schaffen, jedoch dankte der Oberbürgermeister für die
„gute Idee. Gegen die Verknüpfung von Rad und ÖPNV hat sicher niemand etwas, wir müssen nur ein gutes Pilotprojekt finden.“
Die Antwort kam prompt aus den Zuschauerreihen:
„Hohenstücken-Nord bietet sich zum Start an.“
Sodann wurde noch über die Brücke am Altstädtischen Bahnhof gesprochen, wo mit Vorarbeiten zum Jahreswechsel und mit der Aufbauphase ab Sommer 2025 zu rechnen ist, und es wurden die wenigen funktionierenden Schultoiletten der Curie-Schule in der Großen Münzenstraße thematisiert, worum sich das städtische Gebäude- und Liegenschaftsmanagement kümmern wird.
Zur Frage nach Schulalarm-Möglichkeiten im Amokfall, die durch die vermeintlichen Sprengstoffandrohungen an am 9. September 2024 an Brisanz gewonnen hat, schilderte Alexandra Adel, dass das Bildungsministerium noch immer keine Empfehlung für solche Fälle herausgegeben hat. Deswegen gebe es in der Stadt Gespräche mit Polizei und Schulamt, „und wir, beziehungsweise das Schulamt, werden dann mit den Schulleitungen sprechen.“
Zu guter Letzt sprachen die jungen Rathausgäste Beiträge auf Youtube an, die zeigen, dass Brandenburg an der Havel rechter geworden sei.
Oberbürgermeister Steffen Scheller dazu:
„Leider bestätigen das ja die jüngsten Ergebnisse der Kommunal- und Europawahl, was von vielen Wählern womöglich als Denkzettel zu verstehen war. Doch wenn ich jemandem einen Denkzettel verpasse, bin ich vielleicht zwei Tage mit ihm böse. Ein bei Wahlen verpasster Denkzettel gilt für vier oder fünf Jahre. Das sollte bei der bevorstehenden Landtagswahl am 22. September, bei der ja ab 16 gewählt werden kann, bedacht werden.“
Vormerken: Die nächste Kinder- und Jugendsprechstunde mit der Stadtführung findet am 21. November ab 16:00 Uhr im Rathaus statt.