Als „Packhof“ wird eine nordwestlich der Neustadt Brandenburg vorgelagerte Landzunge bezeichnet. Die Bezeichnung rührt von seiner Nutzung zur Niederlage der die Stadt passierenden steuerpflichtigen Waren seit der Einführung der Akzise im Jahr 1669 her. Informationen über die Nutzung der Fläche vor dieser Zeit lagen nicht vor. Da das Gebiet zwischen Havel und dem äußeren Stadtgraben lag, war sie im Mittelalter als Bauland kaum nutzbar. Insbesondere durch verlagerte Flussbetten, durch Verlandung und Vertorfung der Flussufer und die nur knapp über dem Wasserspiegel der Havel gelegenen Schwemmsande war im Mittelalter und der frühen Neuzeit nur eine Wiesennutzung möglich. Erst im Industriezeitalter wurde durch Zuschütten der Stadtgräben und massive bauschutthaltige Überschüttungen eine Bebaubarkeit hergestellt.
So wurde im 19. Jahrhundert das Gebiet mit Gewerbebetrieben, einer Maschinenfabrik und im Jahre 1886 mit der Schiffswerft der Gebrüder Wiemann bebaut. In der Werft wurden bis 1962 kleine Hochseeschiffe, Kutter und Eisbrecher gebaut. Bis Anfang der 1990er Jahre wurde das Gelände weiter für gewerbliche und industrielle Zwecke genutzt. Auf Grund dieser über einhundertjährigen Nutzung wird das Packhofgelände im Altlastenkataster der Stadt Brandenburg an der Havel geführt.
Im Bereich an der Landzunge beim historischen Hafen befand sich ein Grundwasserschaden mit leichtflüchtigen chlorierten Kohlenwasserstoffen (LCKW), die bei der Metallverarbeitung als Lösemittel verwendet wurden. Ende 2011 fanden umfangreiche Bodenaustauschmaßnahmen in zwei Schadensschwerpunkten statt, über die eine deutliche Verringerung der Schadstoffmenge im Grundwasser erreicht wurde. Allerdings verblieb ein Restschaden im Grundwasser. Mit einer speziellen Abdichtung gegen diese leichtflüchtigen Schadstoffe konnte aber der Verwaltungssitz der Stadtwerke Brandenburg an der Havel GmbH & Co. KG im Vorfeld der Bundesgartenschau dennoch gebaut werden.
Durch die kontinuierliche Beobachtung der Entwicklung des Restschadens im Grundwasser konnte eine weitere Schadensquelle mit leichtflüchtigen chlorierten Kohlenwasserstoffen abgegrenzt werden, die von September bis Dezember 2021 saniert wurde. Dabei wurden auf einer Fläche von 140 m² 750 Kubikmeter stark verunreinigter Boden zwischen 3,5 m und im Kernbereich bis zu acht Metern Tiefe ausgetauscht. Dazu wurden sechseckige Stahlwaben von 1,5 m Durchmessern passgenau in den Boden gerammt, jede Wabe zügig ausgebaggert und jeweils mit sauberem Sand wieder aufgefüllt. Anschließend wurden die Stahlwaben wieder gezogen und im noch unsanierten Bereich angesetzt, so dass abschnittsweise die Sanierung des Schadstoffkörpers erfolgte.
Die verunreinigten Bodenmassen wurden luftdicht verschlossen und zu einer zugelassenen Entsorgungsanlage abtransportiert. Das bei der Sicherung der Erdbauarbeiten anfallende verunreinigte Grundwasser wurde über eine Wasserreinigungsanlage abgeführt.
Kurz vor Ende der Baggerarbeiten wurde die Denkmalschutzbehörde benachrichtigt, dass bei den Baggerarbeiten Holz- und Betonpfähle herausgezogen und für eine Begutachtung zur Seite gelegt worden waren. Die umgehende Besichtigung ergab 13 schwarze, teils nur entrindete und rund belassene, zum Teil aber auch zugespitzte Eichenpfähle von beachtlichen Abmaßen. Ein 14. Pfahl entsprach den zum Zeitpunkt der Erneuerung der Jahrtausendbrücke vor 1928 eingerammten, runden Kiefernstämmen, zwei runde Betonpfähle schienen in Bezug zu einem an dieser Stelle ehemals befindlichen Werkgebäude der Wiemann-Werft zu stehen.
Dem ersten Eindruck nach waren die Holzpfähle sehr unterschiedlich. Sie waren von 1,40 m bis über 3 m lang, von 10 bis 25 cm dick, im Querschnitt rund, dreieckig bis quadratisch, einige sehr große Vierkanthölzer krumm gewachsen, aber glatt gesägt. Bei 2 Pfählen war die über 1 m lange, sich verjüngende Spitze allerdings auch vollständig mit dem Beil zugerichtet. Diese enormen Unterschiede ließen Reste verschiedener Konstruktionen und Zeitstellungen vermuten.
Zur Klärung der Frage der Konstruktionen und Bedeutungen der Pfähle wurden alle Fundhölzer gereinigt, dokumentiert und für die dendrochronologische Altersbestimmung beprobt, also an geeigneter Stelle eine Holzscheibe entnommen.
Das Ergebnis ist überraschend und bedeutend. Alle Eichenpfähle sind trotz ihrer großen Unterschiede einem gemeinsamen Zeithorizont zwischen 1189dd WK (jahrgenau dendrodatiert, Waldkante) und 1193dd WK zuzuordnen und fügen der Neustädtischen Gründungsgeschichte ein neues Kapitel hinzu. Die urkundliche Ersterwähnung der „nova civitas“ Brandenburg zusammen mit anderen markgräflichen Gütern stammt aus dem Jahr 1196. Die jetzt gewonnenen Daten reichen in die bauliche Gründungszeit.
Die Holzpfähle waren nach Angaben des Bauleiters Herrn Herrmann über die Sanierungsfläche verteilt, also nicht in einer Linie stehend als Uferspundwand gedacht, wie nach Holzfunden vom gegenüberliegenden Ufer der Altstadt für die Zeit um 1174/75 zunächst angenommen. Das Muster der geborgenen Pfähle legt stattdessen eine Jochkonstruktion nahe, wie sie zu einer Steganlage zum Anlegen größerer Schiffe gehört haben könnte.
Das überrascht in mehrfacher Hinsicht. Der von Gottlieb Hedemann 1722-1724 aufgezeichnete Stadtgrundriss zeigt zwischen der Neustadt und dem heutigen Packhofgelände eine dreizügige Grabenanlage. Zur Zeit der ausgebauten Neustadt wäre es befestigungstechnisch unsinnig gewesen, Waren und Baustoffe an diesem Steg zu entladen und über die Befestigungsgräben in die Stadt zu bringen.
Viel wahrscheinlicher ist, dass es hier eine bauliche und verkehrliche Infrastruktur zur und vor der Zeit des Ausbaus der Neustadt gegeben hat, so wie auch vorstädtische Strukturen im Bereich des Deutschen Dorfes (wohl um 1150dd, sicher um 1178dd) und in der Grabenstraße (12./13. Jh.) archäologisch nachgewiesen wurden.
Durch die Technologie der Bergung, die erhebliche Tiefe und das Erfordernis der emissionsfreien Entsorgung war eine Untersuchung der historischen Oberflächen nicht möglich. So muss derzeit ungeklärt bleiben, ob sich im Umfeld der Pfähle verloren gegangene Handelsgüter, Baustoffe oder Nahrungsmittel befinden.
Die Entdeckung dieses unbekannten Kapitels der Stadtgeschichte ist dem umsichtigen und aufmerksamen Reagieren der Baufachleute der Spezialfirma Eggers zu verdanken. Begutachtung, Dokumentation, Beprobung und Bearbeitung der Holzfunde erfolgte durch die städtische Denkmalschutzbehörde, die Baubegleitung und Erstellung der Karte durch die untere Bodenschutzbehörde, die dendrochronologische Datierung der Holzscheiben erfolgte durch den Experten Dr. Karl-Uwe Heußner, Petershagen.