Pakt für Pflege

Bericht zur Umsetzung des „Pakt für Pflege“ in 2023 in Brandenburg an der Havel

Der „Pakt für Pflege“, ein Schwerpunkt im Koalitionsvertrag von 2020 der aktuellen Landesregierung, startete Ende des Jahres 2020. Mit Blick auf die für das Land prognostizierten großen Herausforderungen im Bereich Pflege soll das Landes-Förderprogramm dazu beitragen eine gute pflegerische Versorgung in allen Landesteilen sicherzustellen. Konkret hat der „Pakt für Pflege“ zum Ziel, pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen vor Ort zu unterstützen, Beratungsstrukturen auszubauen und die Fachkräftesicherung in der Pflege zu fördern.

Im Landeshaushalt stehen dafür jährlich rund 20 Millionen Euro zur Verfügung.Eine wesentliche Zuwendungsvoraussetzung ist die Sicherstellung eines finanziellen Eigenanteils der Zuwendungsempfangenen in Höhe von mindestens 20 %. Der Eigenanteil kann teilweise oder auch ganz von Dritten erbracht werden. Die Eigenanteile werden ausschließlich durch die projektbeantragenden Träger bereitgestellt. Die Stadt Brandenburg an der Havel beteiligt sich entsprechend nicht an der Projektfinanzierung, stellt aber den Antrag für die gesammelten Projekte und leitet die Förderung des Landesamts für Soziales und Versorgung weiter.

Der „Pakt für Pflege“ umfasst 4 Säulen

Säule 1 und auch das Herzstück des Paktes: Förderprogramm für Kommunen „Pflege vor Ort“ (Start 1. April 2021, Laufzeit bis Dezember 2024, rund 10 Millionen Euro pro Jahr).

Mit der Richtlinie „Pflege vor Ort“ sollen Maßnahmen der kommunalen Pflegepolitik zur Stärkung der Pflege vor Ort in den Kommunen gefördert werden. Zweck der Förderung aus diesem Programm ist die Unterstützung spezifischer Maßnahmen, die dazu geeignet sind, ein selbstständiges Leben von insbesondere in der Häuslichkeit gepflegten Personen und deren Einbindung in die örtliche Gemeinschaft zu unterstützen sowie Pflegebedürftigkeit hinauszuzögern, zu verringern und zu vermeiden. Ziel dieser Richtlinie ist die Unterstützung der Pflege in der eigenen Häuslichkeit durch Gestaltung alterns- und pflegegerechter Sozialräume und somit die Stabilisierung des Anteils ambulanter Pflege im Land Brandenburg.

Säule 2 „Investitionsprogramm für Kurzzeit- und Tagespflege“ (Start 1. August 2021, Laufzeit bis Dezember 2024, rund 5 Millionen Euro pro Jahr) hat den Ausbau der pflegerischen Versorgungsstruktur zum Ziel. Diesem Programm liegt die „Pflegezukunftsinvestitionsrichtlinie“ zu Grunde, mit deren Förderung neue Plätze in der Kurzzeit- und Tagespflege geschaffen werden sollen, die die häusliche Pflegesituation stabilisieren. Im Bereich der Kurzzeitpflege gibt es einen großen Mangel an Plätzen, so dass diese Art der Pflege in Brandenburg nur etwa halb so oft in Anspruch genommen wird, wie im Bundesdurchschnitt. Gerade dieser Pflegeform wird aber eine wichtige Rolle im Kampf gegen die zunehmende Fachkräfteproblematik zugeschrieben, denn sie vermag es, plötzliche Pflegebedarfe und Krisensituationen aufzufangen und gibt Angehörigen die Möglichkeit, die Pflege zu Hause gut vorzubereiten. Tagespflege entlastet pflegende Angehörige stundenweise am Tag und ermöglicht es trotz Pflegeverantwortung erwerbstätig zu sein.

Säule 3: Förderung des Ausbaus der Pflegestützpunkte (Start 1. Juli 2021, Laufzeit bis Dezember 2024, rund 2 Millionen Euro pro Jahr). Bei dieser Richtlinie geht es um den Ausbau und die Weiterentwicklung der Pflegeberatung, die für die Stabilisierung ambulanter Pflege unerlässlich ist. Pflegestützpunkte bieten eine individuelle, trägerneutrale und kostenfreie Beratung rund um das Thema Pflege an. Mittel dieser Richtlinie sollen den Zugang zur Pflegeberatung erleichtern und die bestehenden Beratungsangebote weiterentwickeln.

Säule 4: Ausbildung und Fachkräftesicherung. Diese Säule richtet sich nicht direkt an die Landkreise und kreisfreien Städte, sondern befasst sich gesondert mit Ausbildungsbedingungen, um sowohl die Ausbildung von Fachkräften, aber auch die der Assistenzberufe attraktiver zu machen und mehr Menschen als Arbeitskräfte für den Bereich der Pflege zu gewinnen.

Zu Beginn des Jahres 2023 erfolgte die Mitteilung des Landesamts für Soziales und Versorgung Brandenburg, dass „Pflege vor Ort“ nunmehr bis zum 31.12.2024 verlängert wird und somit weitere Landesmittel zur Verfügung gestellt werden. Sozialministerin Nonnemacher begründet dies mit einer positiven Zwischenbilanz. Es seien „viele verschiedene Angebote für Pflegebedürftige, für von Pflegebedürftigkeit bedrohte sowie Angehörige entstanden.“

Auch die meisten Projekte der Stadt Brandenburg an der Havel haben die Programmverlängerung bis Dezember 2024 genutzt, um ihre Projekte weiterzuführen und anhand der vorjährigen Erfahrungen noch mehr an der Zielgruppe auszurichten. Ein kurzer Ausblick auf das Jahr 2024 erfolgt im Anschluss der Schilderungen des Berichtsjahres 2023.

„Pakt für Pflege“ in Brandenburg an der Havel

Im Juni 2021 erhielten alle Träger einer möglichen Projektförderung im Rahmen von „Pakt für Pflege“ ein Schreiben des Fachbereichs Jugend, Soziales und Gesundheit (nunmehr Amt für Jugend und Soziales), in dem der Pakt vorgestellt und die Träger eingeladen wurden, am Förderprogramm für Kommunen „Pflege vor Ort“ durch Projekteinreichungen teilzunehmen. Im Rahmen des Pflegenetzwerkes ZuPf – „Zukunft Pflege“, in welchem die Stadt sowohl mit dem Pflegestützpunkt, als auch der Sozialplanung vertreten ist, wurde der „Pakt für Pflege“ zudem regelmäßig thematisiert. Entstandene Projekte nutzen die Gelegenheit sich vorzustellen und auf noch ungebundene Mittel wurde regelmäßig hingewiesen.

Die Veröffentlichung und Verbreitung der „Pakt für Pflege“- Richtlinien kam für viele Träger zu Zeiten, in denen jeder noch in hohem Maße mit den Corona bedingten Herausforderungen zu tun hatte. Dennoch nahm das Interesse an den Programmen nach und nach zu und erste Anträge wurden für das Jahr 2022 eingereicht, wovon einige auch bis in das Jahr 2023 hineinreichten. Nach der Bewilligung durch das Land und darauf aufbauende Zuwendungsbescheide der Stadt wurde mit den Projekten begonnen.

Vor abschließender Einreichung der Förderanträge durch die Stadt Brandenburg an der Havel an das Land wurden die jeweiligen Projekte entweder durch die Fachbereichsleiterin des ehemaligen Fachbereichs Jugend, Soziales und Gesundheit oder durch die Projektträger selbst im Sozialausschuss vorgestellt.

Bis zum aktuellen Zeitpunkt wurden ausschließlich Projekte im Rahmen der 1. und 2. Säule des „Pakt für Pflege“ gefördert. Nachfolgender Bericht beläuft sich vor allem auf den Zeitraum des Jahres 2023. Bei Projekten, die schon 2022 begonnen haben, kann sich der Bericht auch noch auf das Vorjahr erstrecken.

Folgend werden die einzelnen geförderten Projekte, welche im Rahmen der unterschiedlichen Programme und Richtlinien am „Pakt für Pflege“ teilnehmen kurz dargestellt.

  1. Säule: Programm: „Pflege vor Ort“

    1.1. „Gemeinsam statt einsam in Hohenstücken“

Der Verein „Arbeiten und Wohlfühlen in Hohenstücken e.V.“ hat für das Jahr 2023 nur noch einen Antrag eingereicht, in dem die drei Ursprungsprojekte des Vorjahrs (Gemeinsames Kochen, Kino und Pflegelotsendienst) unter dem Titel „Gemeinsam statt einsam in Hohenstücken“ zusammengefasst und noch stärker miteinander verzahnt wurden. Das Projekt hatte auch 2023 die soziale Teilhabe und eine bessere Vernetzung der Zielgruppe zu Hilfeangeboten zum Ziel.

Insgesamt wurde das Projekt von vielen pflegebedürftigen und/oder von Pflegebedürftigkeit bedrohten älteren Menschen genutzt, die mittels des Trägerangebots in ihrem Alltag angeregt wurden, sich miteinander vernetzt haben und somit Einsamkeit und Isolation entgegenwirken konnten. Das Projekt von AuWiHo e.V. wirkt direkt im Vor- und Umfeld von Pflegebedürftigkeit und stärkt in seiner Wirkung aktuelle oder zukünftige ambulante Pflegesettings.

Nach Angaben des Trägers haben 2023 bis zum Ende des Förderzeitraum

- 235 Menschen beim gemeinsamen Kochen mitgemacht
- 96 Menschen am Kinonachmittag teilgenommen
- und 53 Menschen beim Pflegelotsendienst nachgefragt.

Konkret traf sich die Kochgruppe zwei Mal im Monat, der Kinonachmittag wurde pro Monat einmal angeboten und die freiwillig engagierte Pflegelotsin führte wöchentliche Gesprächstermine durch, bei denen die Ratsuchenden über Hilfsangebote informiert und bei Bedarf dorthin begleitet wurden.

Insgesamt hat sich der Nachbarschaftstreff „Miteinander“ im Bürgerhaus Hohenstücken zu einem Begegnungsort vieler, gerade auch pflegebedürftiger und/oder mobilitätseingeschränkter Menschen im Stadtteil Hohenstücken entwickelt. Es bietet den Menschen in der Nachbarschaft eine niedrigschwellige Möglichkeit an Unterstützung zu gelangen. Die Projektdurchführenden, die ebenfalls im Stadtteil zu Hause sind, haben über die Projektlaufzeit ein Vertrauensverhältnis zu den Menschen im Stadtteil aufgebaut und können bei Bedarf eine Brücke zu weiterführenden Hilfsangeboten bauen.

Seit 2023 sind die Angebote zudem auf einer eigens erstellten Homepage des „Nachbarschaftstreffs Miteinander“ auffindbar, so dass neben Flyern auch auf diesem Wege über aktuelle Termine und Veranstaltungen informiert werden kann.

 

1.2. „KulturZeitGenossen“

Das von Frau Stefanie Erdrich beantragte Projekt „KulturZeitGenossen“ beschäftigte sich umfassend mit der kulturellen Teilhabe älterer Menschen. Das Projekt wurde im Juli 2022 begonnen und fand zum Ende des Jahres 2023 seinen endgültigen Abschluss. Das Ziel des Projekts war es, die kulturelle Bildung und Teilhabemöglichkeiten von Älteren und pflegebedürftigen Menschen sowie ihren Angehörigen zu verbessern.

Gezielt wurden Bildungsinstitutionen und Einrichtungen angesprochen und geschult, um diese für die Bedürfnisse der wachsenden Gruppe der älteren und/oder pflegebedürftigen BesucherInnen zu sensibilisieren, aber auch um diese als „neue“ Zielgruppe im Blick zu haben und für sich zu gewinnen.

Letztendlich bestand das Projekt aus einem Teil für die

  1. Museen und Kultureinrichtungen der Stadt sowie
  2. einem Teil für die beiden Musikschulen.

Zu 1.: Drei von den eingeladenen Museen besuchten den angebotenen „Kick-Off-Workshop“ unter dem Motto „Alter, altern, älter werden“, bei dem die Teilnehmenden eigene Altersbilder hinterfragten und konkrete Maßnahmen erdachten, um den Bedürfnissen älterer BildungsnutzerInnen gerecht zu werden.

Im Folgeworkshop mit weiteren und anderen Teilnehmenden aus der Brandenburger Kulturlandschaft, ging es vor allem um die Frage warum Kulturgeragogik (kulturelle Bildungsangebote, die auf die Lebenswelt Älterer ausgerichtet sind und deren Lernverhalten methodisch und didaktisch berücksichtigt) wichtig ist. Dieser digital durchgeführte Workshop kann auf der Homepage der Projektdurchführenden Frau Erdrich nachgehört werden.

Aufgrund der starken personellen Einbindung der Museumsmitarbeitenden rund um das Museumsprojekt Paul Gösch, hatten die Einrichtungen keine freien Kapazitäten eigene Projekte mit dem neuen Wissen im Jahr 2023 umzusetzen. Partizipative Ansätze für SeniorInnen konnten aber bei den Ausstellungen zu Paul Gösch umgesetzt werden.

Dennoch konnte ein anderes Projekt über die „KulturZeitGenossen“ in 2023 realisiert werden. Angebunden an die Wredow’sche Zeichenschule setzten sich überwiegend ältere Menschen mit dem Thema „Aufbruch“ künstlerisch auseinander. Die Werke der durchgeführten Schreibwerkstatt und eines entsprechenden Malkurses wurden in der Westkirche in Kirchmöser ausgestellt.

Für die Folgejahre wäre ein noch stärkerer kulturgeragogischer Ansatz in den Bildungseinrichtungen wünschenswert, zumal eine Förderung im Jahr 2024 über den Pakt für Pflege noch möglich ist.

Zu 2.: Auch für die Musikschulen wurde zunächst ein „Kickoff-Workshop“ und in der Folge ein „Digitalworkshop“ angeboten. Verschiedenen Projekte mit „älteren Stimmen“ und pflegebedürftigen und/oder an demenzerkrankten Personen wurden vorgestellt und diskutiert.

Mit Unterstützung einer Musikgeragogin konnte dann auch ein Praxisprojekt in einer ambulant betreuten Demenzwohngruppe durchgeführt werden, die von Kindern in einem Zeitraum von 6 Wochen zum gemeinsamen Musizieren besucht wurde. Das Projekt war ein großer Erfolg und der Träger möchte sich für eine Fortsetzung des Musikprojekts einsetzen.

 

3. „Treffpunkt für pflegende Angehörige“

Das seit September 2022 laufende Projekt des Caritas Verbandes für das Erzbistum Berlin e.V. ist speziell auf die Bedarfe pflegender Angehöriger zugeschnitten.

Bei wöchentlichen und sozialpädagogisch professionell begleiteten Treffen haben die Pflegenden die Möglichkeit sich auszutauschen, zu vernetzen, aber auch sich fortzubilden und neue Kräfte zu generieren.

Pflegende Angehörige leisten in der alltäglichen Pflegesituation enormes und kommen je nach Dauer und Intensität der Pflege oft an ihre Grenzen. Die eigenen Bedürfnisse stehen dabei oft neben vielen anderen und geraten leicht in den Hintergrund. Eine häufige Folge ist die persönliche und gesellschaftliche Isolation, welcher mit dem „Treffpunkt für pflegende Angehörige“ entgegengewirkt wird.

Im Rahmen des Projektes wird ein Raum geschaffen in der Betroffene in vertraulicher und verständnisvoller Atmosphäre mit ihren Befindlichkeiten, Sorgen und Nöten im Mittelpunkt stehen. Der Austausch wird ergänzt durch monatlich stattfindende Vorträge/Seminare zu Themen rund um die Pflege und Prävention der eigenen körperlichen und psychischen Gesundheit. Zudem wird in einer weiteren Woche des Monats ein Aktivierungs- oder kulturelles Angebot für Pflegebedürftige gemeinsam mit ihren pflegenden Angehörigen bereitgestellt. Dabei liegt der Fokus nicht auf der Pflegesituation, sondern auf der gemeinsam erlebte Zeit außerhalb des üblichen Alltags.

Bei Bedarf führt die Sozialpädagogische Fachkraft zudem Einzel-/Paar- und Generationsberatung für die Betroffenen durch.

Gefördert über den Pakt für Pflege wird vor allem die intensive sozialpädagogische Begleitung, ohne die diese Art von Selbsthilfegruppe aufgrund der hohen persönlichen Belastungen der Betroffenen nicht bestehen könnte.

Der wöchentlich stattfindende „Begleitete Treffpunkt“ hat sich im Jahre 2023 zu einem etablierten und angenommenen Angebot für pflegende Angehörige sowie deren zu Pflegende entwickelt, welches die ambulante Pflegesituation entlastet und somit stärkt.

Bei Bedarf wird das Verweisungswissen der Fachkräfte vor Ort genutzt, um weiterführende Hilfen aufzuzeigen und einen ersten Kontakt herzustellen.

Zusammenfassend fanden von Januar bis Dezember 2023 45 Termine im begleitenden Treffpunkt für pflegende Angehörige statt. Insgesamt wurden 222 TeilnehmerInnen gezählt und eine feste Gruppe von 8-10 Angehörigen, welche sich in regelmäßigem Austausch befindet, hat sich etabliert. Des Weiteren wurden 60 Beratungen entweder persönlich oder telefonisch durchgeführt.

 

4. „Computerbasiertes Gleichgewichts- und Kognitionstraining: Serious Games für SeniorInnen zur Prävention von Demenzerkrankungen und Stürzen“

Zum Jahresende 2022 wurde von der Technischen Hochschule Brandenburg (THB) ein weiteres Projekt eingereicht. Auf Grund vorangegangener Studien konnte die Erkenntnis erlangt werden, dass die Teilnahme an sogenannten „Serious Games“ (Onlinespiele auf einer beweglichen Plattform) Demenzentstehung verlangsamt und teilweise sogar rückgängig macht.

Mit Hilfe der Förderung über den Pakt für Pflege sollte ein ambulantes Angebot etabliert werden, welches SeniorInnen durch regelmäßige Nutzung ermöglicht ihr Gleichgewicht sowie geistige Fähigkeiten zu trainieren.

Zu diesem Zwecke mussten zunächst Partnerorganisationen gefunden werden, die sich bereit erklären das Equipment und die Spiele für SeniorInnen zugänglich aufzustellen und nutzbar zu machen. Dazu wurden im Projektverlauf immer wieder potentielle Partner angesprochen, bei Interesse das Projekt mit den Spielen und seinen Möglichkeiten vorgestellt, in sechs Einrichtungen aufgebaut und letztendlich fünf Einrichtungen dauerhaft bis Projektende zur Verfügung gestellt. SeniorInnen wurden während des Förderzeitraums immer wieder eingeladen und motiviert die Spiele zu probieren sowie Feedback zur Nutzerfreundlichkeit und dem Gefallen zu geben, damit die Spiele an die bekanntgewordenen Bedarfe angepasst werden konnten – ein parallel laufender Vorgang der projektdurchführenden Organisation. So wurden neue Spiele entwickelt, ein einheitliches Design für die Spiele entworfen, die Einfachheit der Nutzung erhöht und zu alternativen Sensoren geforscht, die erstens kostengünstiger aber für die SeniorInnen auch leichter zu steuern sind. Die Technik wurde zudem laufen aktualisiert und das schon in der letzten Förderperiode entstandene Handbuch gemäß neuer Erkenntnisse angepasst.

Das Projekt liefert einen interessanten präventiven Ansatz, der Pflegebedürftigkeit bei regelmäßiger Nutzung durchaus vorbeugen könnte. Während des Projektzeitraums musste die THB allerdings feststellen, dass die Skepsis und Bedenken bei den SeniorInnen doch größer sind als zunächst angenommen. So kostete es teilweise viel Zeit und Überzeugungsarbeit um potentielle NutzerInnen zu gewinnen und Hemmungen etwas Neues zu probieren abzubauen. Der Träger betont, dass die SeniorInnen, die sich zu einem Versuch motivieren ließen meist sehr begeistert reagierten und die Spiele dann auch langfristig nutzten oder noch nutzen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass es hier einer Strategie bedarf, um mehr SeniorInnen von der Sinnhaftigkeit, aber auch dem Spaßfaktor der Spiele zu überzeugen.

Die beantragte Landesförderung wurde zur Deckung der durch die Projektbegleitung entstandenen Personalkosten genutzt.

Um eine dauerhafte Nutzung für die Brandenburger SeniorInnen zu gewährleisten wäre es wünschenswert, wenn die die Spiele nutzenden Einrichtungen in 2024 ebenfalls noch einen Förderantrag über den Pakt für Pflege stellen würden, damit die jetzt motivierten NutzerInnen die Spiele auch dauerhaft nutzen und auch von deren Nutzen profitieren können.

 

5. „Pflege im Kiez“

Die Volkssolidarität begann im Jahr 2023 mit einem Projekt, das sich dem Thema Bewegung widmet. So entstand neben dem vom Träger neu geschaffenen Service-Wohnprojekt mit angrenzender Sozialstation und Begegnungsstätte mittels der Landesförderung ein frei zugänglicher Bewegungsparcour und ein auf SeniorInnen abzielendes Bewegungsprogramm, angeleitet von einer entsprechenden Fachkraft (Betreuungsassistentin im Gesundheitswesen mit Pflegebasiskurs).

Die sportlichen Betätigungen hatten unter anderem

  • Sturzprophylaxe,
  • die Ertüchtigung der Rücken- und Beinmuskulatur,
  • die Stärkung des Herz-/Kreislaufsystems,
  • das Vorbeugen gegen Verkalkungen,
  • die Entspannung des Körpers,
  • und die Bildung von Gemeinschaftsgefühl sowie
  • die Kommunikation mit Gleichgesinnten

    zum Ziel.

Dieses Angebot entfaltet seine Wirkung vor allem im Vorfeld von Pflege. Durch sportliche Betätigung halten sich die Seniorinnen und Senioren sowohl körperlich als auch geistig fit und wirken damit einer evtl. Pflegebedürftigkeit aktiv entgegen.

Da auf Verlangen des Landesamts für Soziales und Versorgung der Antrag des Trägers mehrfach nachgebessert werden musste, konnte der städtische Bewilligungsbescheid erst im August 2023 verschickt werden, so dass erst dann die endgültige Sicherheit der Förderung beim Träger gegeben war. Dadurch wurde der ursprüngliche Zeitplan nicht eingehalten und der Outdoor-Bewegungsparcour konnte erst im November und Dezember aufgestellt und der Öffentlichkeit zu Nutzung zugänglich gemacht werden, statt wie geplant schon ein paar Monate früher. Dieser Zeitraum blieb aber nicht ungenutzt, so war die eigens eingestellte Fachkraft seit Anfang Februar damit beschäftigt die neuen Angebote zu etablieren und bekannt zu machen, sich zu vernetzen sowie weitere Bewegungsangebote zu planen, die dann nach und nach umgesetzt wurden. Im Laufe des Jahres etablierte sich so eine erste feste Sportgruppe 70+ und ein Walkingangebot in der Umgebung (Stadtteil Nord). Des Weiteren wurden täglich weitere Bewegungsübungen, Gymnastik, Stuhltanz oder auch Übungen im Outdoorpark angeboten.

 

2. Säule: Programm zum „Ausbau der pflegerischen Versorgungsstruktur“

Neben „Pflege vor Ort stärken“ war im Jahr 2023 das Programm „Ausbau der pflegerischen Versorgungsstruktur“ mit der Pflegezukunftsinvestitionsrichtlinie für Brandenburg an der Havel relevant, wobei es zu überraschenden Änderungen im ursprünglichen Zeitplan kam.

 

2.1. „Schaffung von Kurzzeitpflegeplätzen“

Der 2022 eingereichte Förderantrag der „Jedermann Gruppe gemäß e.V.“ zum Bau von neun Kurzzeitplätzen konnte durch unerwartete archäologische Maßnahmen am Molkenmarkt nicht gemäß dem ursprünglichen Zeitplan bis Ende 2023 umgesetzt werden. Bereits abgerufene Gelder wurden zurückgezahlt und ein Änderungsantrag an das Landesamt für Soziales und Versorgung seitens der Stadt Brandenburg an der Havel eingereicht, der die erneute Zahlung nun für das Jahr 2024 vorsieht.

Durch das hingegen zügige Vorankommen des zweiten Projekts der Richtlinie (siehe 2.2.) konnte der Änderungsantrag so gestaltet werden, dass der „Ambulante Pflegedienst Havel GmbH“ seine Gelder schon 2023 abrufen konnte, wodurch weiterhin alle durch die Richtlinie zur Verfügung gestellten Gelder im Projektzeitraum beantragt werden konnten und nicht verfallen müssen.

 

2.2. „Schaffung von Tagespflegeplätzen“

Der ebenfalls 2022 gestellte Antrag des „Ambulanten Pflegedienst Havel GmbH“, sah die Schaffung von 12-16 Tagespflegeplätze in Hohenstücken vor, von denen letztendlich alle 16 Plätze realisiert werden konnten.

Im Herbst 2023 begrüßten die Mitarbeitenden der neuen Tagespflege ihre ersten BesucherInnen. Das Konzept des Hauses in der Warschauer Straße in Hohenstücken setzt auf ein multilinguales und multikulturelles Angebot – bisher ein Alleinstellungsmerkmal in Brandenburg an der Havel. Durch das Angebot der mehrsprachigen Pflege wird gleichzeitig eine Lücke in der ambulanten Versorgung von NichtmuttersprachlerInnen geschlossen.

Die behindertengerechten Räumlichkeiten bieten ausreichend Platz für Gruppenaktivitäten, lassen aber auch die Möglichkeiten für die Einzelnen offen sich zurückzuziehen und eigenen Aktivitäten nachzugehen. Den Besuchern stehen neben einem großen Aufenthaltsraum eine offene Küche sowie ein Ruhe- und ein Therapieraum zur Verfügung, die vielfältig genutzt werden. Die Tagespflege Havel gibt über die sozialen Medien fast täglich Einblick in die abwechslungsreichen Tätigkeiten des Hauses.

Durch das Angebot wird die Stabilisierung häuslicher Pflegesettings erreicht und eine ggf. nötige stationäre Pflege hinausgezögert.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Landesförderung des „Pakt für Pflege“ vielen Menschen in einer insgesamt sehr heterogenen Lebensphase zu Gute kommt. Die in Brandenburg an der Havel realisierten Projekte sind thematisch breit aufgestellt, so dass eine große Zahl der Menschen vor und um eine entstehende Pflegebedürftigkeit von diesen Angeboten profitieren kann.

Die Fortführung des Programms ist sehr zu empfehlen, damit sich die gerade etablierten Projekte weiterhin in ihrer positiven Wirkung entfalten können.

Ausblick

Ausblick auf das Förderjahr 2024

Fast alle Träger haben für die im Rahmen des Förderprogramms „Pflege vor Ort“ entstandenen Projekte Folgeanträge gestellt, um ihre Tätigkeiten auch in 2024 fortführen und ausbauen zu können.

Der Verein AuWiHo e.V. hat im Sinne des Angeboteausbaus für einen Mitarbeiter einen weiteren Antrag zur zertifizierten Fortbildung zum Wohnraumberater beantragt, um mit neuer Expertise in häuslichen Pflegesettings über mögliche Verbesserungen in den eigenen vier Wänden aufklären zu können.

Ein Antrag der Stadt Brandenburg an der Havel zur Förderung für den Ausbau und die Weiterentwicklung der Pflegeberatung über die Richtlinie „Förderung des Ausbaus der Pflegestützpunkte“ konnte aus Kapazitätsgründen 2023 nicht realisiert werden, wäre laut der Sozialplanerin für die Zukunft allerdings empfehlenswert. Über diese Richtlinie eingestelltes Personal könnte mit dem Aufbau der Wohnraumberatung als zusätzliches Angebot des Pflegestützpunktes einhergehen.

Die meisten Menschen wünschen sich, im Alter in der eigenen Wohnung verbleiben zu können. Mit Alltagshilfen im persönlichen Wohnraum und ggf. Wohnraumanpassung lässt sich Pflegebedürftigkeit verringern und/oder verzögern und stellt somit einen extrem wichtigen Baustein in der Stärkung ambulanter Pflegesettings dar. Eine entsprechende Schulung der beiden Mitarbeitenden des Pflegestützpunkts konnte 2023 über den Pakt für Pflege bereits realisiert werden. Elbe-Elster als Vorreiter in der Wohnraumberatung im Land Brandenburg beantragte dafür für interessierte Landkreise und kreisfreie Städte eine einwöchige Fortbildung, die als sehr wertvoll von den Teilnehmenden beurteilt wurde. Durch die zunehmende Arbeitsbelastung der Mitarbeitenden des Pflegestützpunktes, die mit einer alternden Stadt einhergehen, ist es aber ohne weiteres Personal im Pflegestützpunkt nicht möglich dieses Angebot zusätzlich anzubieten.

Ausblick auf die kommenden Jahre

Gemäß §123 SGBXI stellt der Spitzenverband Bund der Pflegekassen in den Jahren 2025-2028 ein Budget von bis zu 30 Millionen Euro jährlich für das gesamte Bundesgebiet zur Verfügung um Modellvorhaben für innovative Unterstützungsmaßnahmen und -strukturen für Pflegebedürftige, ihre Angehörigen und vergleichbar Nahestehenden vor Ort und im Quartier zu fördern. Die Förderung dient insbesondere dazu,

  1. die Situation der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen und vergleichbar Nahestehenden zu erleichtern,
  2. den Zugang zu den vorhandenen Pflege- und Unterstützungsangeboten zu verbessern,
  3. die Pflegeprävalenz positiv zu beeinflussen,
  4. den Fachkräftebedarf zu decken sowie ehrenamtliche Strukturen aufzubauen,
  5. eine bedarfsgerechte integrierte Sozialplanung zur Entwicklung des Sozialraumes zu unterstützen,
  6. Unterstützungs- und Entlastungsstrukturen für Pflegearrangements auf- und auszubauen und zu stabilisieren,
  7. innovative Konzepte zur Stärkung der gesellschaftlichen Solidarität zu entwickeln oder
  8. die Pflegeangebote untereinander digital zu vernetzen.

Zu einer Förderung kommt es allerdings nur, wenn die Modellvorhaben auf der Grundlage landes- oder kommunalrechtlicher Vorschriften auch durch das jeweilige Land oder die jeweilige kommunale Gebietskörperschaft gefördert werden.

Auf Grund der im September 2024 bevorstehenden Landtagswahlen ist die Fortführung des Förderprogramms und damit der aktuell gut etablierten Projekte nach 2024 bisher ungewiss. Da die meisten politischen Parteien aber eine, wie auch immer ausgestaltete Fortsetzung des „Pakt für Pflege“, in ihre Wahlprogramme geschrieben haben, besteht die begründete Hoffnung, dass die entstandenen Angebote weitergeführt werden und auch neue etabliert werden können.

Empfehlungen zur genauen Ausgestaltung des neuen Förderprogramms sind von den Entscheidungsträgern bis zum 30. Juni 2024 vorzulegen.

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