Psychiatriemuseum
Fundusausstellung
Da liegt sie nun – die Zwangsjacke, sauber gefaltet und sicher hinter Glas. Vis-à-vis in der Fundusausstellung eine Sitzwaage, ein wuchtiger Apparat aus Holz und Metall. Eine kleine Sammlung von Münzen aus Aluminium macht stutzig wegen der drei Buchstaben „LAG“. Das Kürzel steht für „Landesanstalt Görden“. Bis in die 1950-er Jahre hinein hatte das Asklepios Fachklinikum Brandenburg, die ehemalige Landesklinik, eine weitgehend von der Umwelt unabhängige Einrichtung, idyllisch im Wald gelegen und fernab der Brandenburger Wohngebiete, sogar eine eigene Währung.
Der insgesamt geschlossene Charakter ist von dem Fachklinikum längst abgefallen wie ein böser Fluch. Gewiss gibt es die geschlossene Psychiatrie. Doch öffnet sich das Fachklinikum mehr und mehr in die Stadt und präsentiert sich als Krankenhaus für Neurologie und Psychiatrie.
Diese Entwicklung kann der Besucher der Fundusausstellung, die im September 2002 eröffnet wurde, in groben Zügen nachvollziehen. Untergebracht ist die Ausstellung in einem Haus, das über Jahre hinweg aus den Schlagzeilen nicht mehr herauskam. Bis zum Bezug eines Neubaus zum Jahresbeginn 2002 war im Haus 23 der Maßregelvollzug untergebracht. Sexualstraftäter waren es zuvorderst, die dem in der Kaiserzeit errichteten Gebäude in den vergangenen zehn Jahren eine traurige Berühmtheit bescherten.
Drei authentisch eingerichtete Räume aus dieser jüngsten Vergangenheit sind Teil der Dauerausstellung, darunter auch eine Hochsicherheitszelle mit integrierter Toiletten-Dusche.
Die Landesklinik Görden 1933 bis 1945. Psychiatrie im Nationalsozialismus
Am 25. Mai 2004 wurde die Dauerausstellung „Die Landesanstalt Görden 1933 bis 1945. Psychiatrie im Nationalsozialismus“ eröffnet. Diese Ausstellung erinnert an die Opfer der NS-Psychiatrie und dokumentiert die Verbrechen, die an Patienten der ehemaligen Landesanstalt Görden begangen wurden
Seit in den 1980er-Jahren eine intensive Forschung zu den nationalsozialistischen Verbrechen an Kranken und Behinderten einsetzte, sind in der Bundesrepublik Deutschland viele Gedenkstätten, Mahnmale und Ausstellungen entstanden, die Ursachen und Wirkung der Verbrechen dokumentieren und die Erinnerung an die Opfer wach halten.
Die Landesklinik Brandenburg – heute Asklepios Fachklinikum Brandenburg – erforscht seit der 2. Hälfte der 90er Jahre verstärkt die NS-Geschichte der Einrichtung. Im Ergebnis der historischen Arbeit und im Wissen um das Leid der Opfer weihte die Klinik im Mai 2002 einen Gedenkstein ein. Im Oktober 2003 wurden Gehirnteile von drei ermordeten Kindern feierlich beigesetzt. Die Dauerausstellung zur Geschichte der Landesanstalt Görden zwischen 1933 und 1945 ist ein weiterer Baustein der historischen Aufarbeitung und des Gedenkens.
Anliegen
Die Landesanstalt Görden war in den Jahren 1933 bis 1945 in vielfältiger Weise an Verbrechen an ihren Patienten und an Patienten anderer Einrichtungen beteiligt. Somit bündeln sich in ihrer Vergangenheit NS-Geschichte im allgemeinen und nationalsozialistische Rassen- und Gesundheitspolitik im besonderen und deren Umsetzung in der Provinz Brandenburg und in einer provinzialen Fürsorgeeinrichtung.
Diesem Tatbestand, dessen Aktualität bis heute ungebrochen ist, trägt die Ausstellung Rechnung. Dabei versteht sie sich als Bestandteil der in den letzten Jahren an Intensität gewonnenen Aufarbeitung der Geschichte der brandenburgischen Heil- und Pflegeanstalten und auch der Vorgänge um und in Görden und stützt sich auf gerade in jüngster Zeit gewonnene Ergebnisse.
Mit der Ausstellung setzt das Asklepios Fachklinikum Brandenburg den Weg der Visualisierung ihrer Historie fort und greift dabei erstmalig einen Zeitabschnitt ihrer Geschichte separat und breit auf. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Patientenschicksalen in der Zeit zwischen 1933 und 1945 und auf der Verstrickung der Landesanstalt und ihres Personals in die Verbrechen an den Patienten.
Über 1.900 Patientinnen und Patienten der Landesanstalt Görden fielen dem Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses zum Opfer. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges erhielt die Gördener Einrichtung in der Provinz Brandenburg und teilweise auch reichsweit einen herausgehobenen Status. Ihr Direktor, Prof. Dr. Hans Heinze, gehörte zu den zentralen Akteuren des Krankenmordes. Die Landesanstalt war Herkunfts- und Zwischenanstalt der „Euthanasie-Aktion T4“. Ärzte, Pflege- und Verwaltungspersonal schickten Patiententransporte direkt in die Gasmordanstalten Brandenburg und Bernburg.
Darüber hinaus befand sich in der hiesigen Einrichtung eine so genannte Kinderfachabteilung. Hier tötete das Personal mit überdosierten Medikamenten.
Wie aktuell die Vergangenheit ist, zeigen immer wieder Anfragen von Angehörigen. Familienmitglieder sind auf der Suche nach Zeugnissen von Verwandten, die Opfer der Krankenmorde wurden oder deren Spuren sich bisher verloren.
Der Ausstellung liegt der Gedanke zugrunde, die Konsequenz der NS-Rassen- und Gesundheitspolitik für die Gördener Patienten zu zeigen. Es werden mehrere Opfer der „Euthanasie“ vorgestellt sowie die Namen Ermordeter (in anonymisierter Form) genannt.
Die Exposition wendet sich an ein breites Publikum und nicht nur an Fachleute. Insbesondere ist an Schüler und Auszubildende bzw. an die entsprechenden Multiplikatoren gedacht. Hinsichtlich der regionalen Zuordnung der Besucher ist die Öffentlichkeit der Stadt Brandenburg ein Hauptadressat der Ausstellung. Dementsprechend wird versucht, so häufig wie möglich den regionalen Bezug herzustellen. Beispielsweise befinden sich unter den vorgestellten Opfern auch Patienten, die aus der Stadt Brandenburg und deren Umgebung stammten.
Mit der Ausstellung wird nicht nur Klinikgeschichte sondern gleichzeitig auch Stadtgeschichte geboten und somit neben dem Gedenkort Neuendorfer Straße und der JVA-Ausstellung eine dritte authentische Stätte der Naziverbrechen in Brandenburg museal „in Szene gesetzt“ .