StadtGlück
„StadtGlück“
Kunstausstellung 19. September – 25. Oktober 2020
Frauke Bohge und Caty Forden
Vernissage: 18. September 2020, 18:00 Uhr
Weitere Termine:
Sonntag, 4. Oktober 2020: Workshop*
14:00 Uhr, Architekturzeichnen mit Caty Forden im Hof der Kunsthalle Brennabor
17:00 Uhr Künstlergespräch mit den Künstlerinnen und dem Kurator Christian Kneisel
Sonntag, 11. Oktober 2020: Ausstellungsführung für Familien*
15:00 Uhr, für Kinder ab 3 Jahren, „Suchen und Verstecken“ mit Frauke Bohge
Stadt und Glück? StadtGlück? Was geht ab und gut (aus) in der Stadt? Ist die „Göttin, ... Hure, ... Mutter Großstadt“ (Wolfgang Borchert) doch die Verheißende, Bringende oder jeder Einzelne seines Glückes Schmied? „In die große Stadt zurück. Und dort wird er sagen: Nur im Ruhelosen ruht das Glück.“ (J. Ringelnatz) Zwei Künstlerinnen behaupten, Glück & Stadt gibt es. Sie durchstreifen „bei Tag und bei Nacht“ urbane Wirklichkeiten, entdecken Besonderes und Gemeines, Aktuelles und (vermeintlich) Vergangenes, Verbindendes und Trennendes. Zurzeit sind Frauke Bohge und Caty Forden – nach Streifzügen durch Chicago, Stockholm, Washington D.C., Brandenburg an der Havel und italienischen Städten – in Berlin unterwegs -,
Dass Fuchs und Hase sich auch links hinterm Funkturm eine gute Nacht wünschen, in Büschen neben dem Fernsehturm ein Bambi döst, ist für Stadtpflanze und gelegentliche Nachteule Bohge faszinierend und des Festhaltens wert, das Obduzieren der Deutschen Oper oder Neuen Schönhauser, die Transformation Wilmersdorfer Witwen, die Verfärbung der Stadtreinigung bester Pionierauftrag und spielerisches, immer meisterlich umgesetztes Anliegen. Frauke Bohge hat Entwürfe für neue Gemeinwesen geschaffen, bestehende genauestens seziert. Stets startet sie als farbenbewusste Beobachterin, formvollendete Chronistin, hält sich aber nie lange mit dem Einfangen und Analysieren auf: Sie lässt Stadtlandschaften verschwimmen, bevorzugt das Unscharfe, um Struktur zu schaffen, gewinnt dem Dunkel feinsten Zauber ab, bringt nächtlichen Glanz zum Strahlen? Und wie sie lächelnd träumen kann: Von Pensionären, die gestern das schufen, was wir heute zu beleben haben. Von Kindern, die morgen das verändern werden, was uns heute lieb und teuer ist. Vom Regen, der Berlins & Brandenburgs Gewässer erfrischt, damit wir uns trotz blinder Scheiben spiegeln, zu anderen Ufern aufbrechen können. Frauke Bohge, die das, was in Stadt war, ist, sein könnte, sehr genau sieht (also weiß), dann mit fein gemischten Farben auf Tuch und Papier bannt, hier verfremdet, dort übersetzt, letztlich ihre ganz eigene, von uns mühelos zu verstehende oder lustvoll zu entschlüsselnde Sprache entwickelt hat, ist bei uns und kann, obwohl das eventuell nie ihre Absicht war, eindeutige Fragen stellen, die uns endlich in heitere Aufregung versetzen und zu präzisen Antworten nötigen. Die Künstlerin ist wagemutig und wie verrückt auf der Suche. Das ist viel des Guten.
„Um eines BILDES willen, muss man viele Städte sehen!“ (Rainer Maria Rilke). Caty Forden hat es immer wieder getan: Städte erforscht, er- und durchlebt – hinterm großen Teich, in bella italia, mitten in Germania, immer als neuan- bzw. wiederkommende Außenseiterin, als präzise Beobachterin, die schon früh feststellen konnte, dass jeder Stadt eine ganz eigene Farbenpracht und -eintönigkeit innewohnt. Schnell gelang es ihr, ein Gefühl für die Einzigartigkeit eines Gebäudes, Straßenzuges, einer Fensterfront, eines Daches, eines Balkons, einer Küche zu entwickeln, im aktuell Vorgefundenen Gelebtes und Vergangenes zu entdecken und mit kühl-warmer Leidenschaft einzufangen, festzuhalten, in angemessener Struktur und Form zu interpretieren, das große Ganze im Blick zu behalten, kein Detail zu übersehen. Das Gelichte und Verschattete untersucht Caty Forden genauestens. Das wird erst dann sichtbar, wenn es (wie) leergefegt, für einen Moment (fast) befreit von Mensch und Tier ist. Ist es das? Die Künstlerin fängt im Innen- wie Außenraum durchgehend Menschenwerk ein, damit Selbstverwirklichungen wie Zumutungen von Baumeistern und Stadtgärtnern, Selbstbehauptungen wie Glückssuchen oder Leidensgeschichten von Insassen und Nutzern. Kein Mensch ist zu sehen, aber an jeder Ecke, in jeder Bude omnipräsent. Die linearen Strukturen und komplexen Geometrien, die die Künstlerin offensichtlich mit leichter Hand auf die Leinwand bringt, sind von Architekten und Städtebauern vorgegeben worden, können von Ein- und Bewohnern erst zum Atmen gebracht, mit Energien belebt, verwandelt, konterkariert werden. Bei Licht besehen schafft der Himmel über Berlin (Chicago, Genua, ...) aber erst die Dimension, die es braucht, um die erdgebundenen Strukturen, damit das Mit- und Gegeneinander, mittel- und unmittelbare Kommunikationen und Abhängigkeiten greifen und einordnen zu können.
Die Ausstellung „StadtGlück“, die unvergleichlichen Werke von Frauke Bohge und Caty Forden beweisen: Stadt(ver)führungen sind ab sofort nur noch mit Frauen möglich, schließlich will man nicht nur das Tollkühne, Imposante, Geschäftige erleben, sondern das Leise und Vorsichtige, das Bedeutsame und Behutsame, das Vergessene und Durchdringende erspüren – sich die ganze Stadt nah kommen lassen.
Christian Kneisel