Ein Höhepunkt der 34. Brandenburgischen Frauenwoche(n)
Schon im Vorjahr hatte Twitter-Seniorin Renate Bergmann, grandios verkörpert von Schauspielerin Anke Siefken, mit ihrem Hochzeitsfieber das Publikum im Handumdrehen vereinnahmt. Sie begeisterte im ausverkauften Rolandsaal dermaßen, dass die Fouqué-Bibliothek sie 2024 im Rahmen der 34. Brandenburgischen Frauenwoche(n) erneut buchte – für zwei Veranstaltungen. Die brachten es zusammen auf 530 „Besuchende“, was Renate Bergmann glatt schon wieder verzweifeln ließe. Nicht wegen der tollen Resonanz, sondern wegen des wörtlichen Umgangs mit den „Besuchern“. Das „Gendern“ zählt nicht zu Bergmanns Verbalträumen, die Ü80-Jährige träumt lieber
„die guten alten Zeiten“
herbei und führt die modernen Zeiten gern ad absurdum. Und das mit geballtem Wortwitz, basierend auf dem neuen Bestseller des humoristischen Schriftstellers Torsten Rohde. Er hat die Kunstfigur erfunden, am 16. Januar 2013 Renate Bergmanns ersten Tweet abgesetzt, 2014 mit „Ich bin nicht süß, ich hab‘ bloß Zucker“ das erste Bergmann-Buch herausgebracht und damit – sowie mit allen Fortsetzungen – die Spiegel-Bestsellerliste gestürmt. Zuletzt mit „Nicht, dass noch jemand sitzenbleibt! Díe Online-Omi packt den Ranzen“. Auch im Brandenburger Rolandsaal holte Renate Bergmann den Zeigestock heraus, um ihm dem deutschen Bildungssystem munter um die Ohren zu hauen.
Ausgehend von
„unserer kleinen Lisbeth, was die Tochter von meinem Neffen Stefan ist“
und die dieses Jahr eingeschult wurde sowie in freudiger Erwartung des überschaubaren Jahrgangstreffens von Bergmanns Oberprima, arbeitete die 82-Jährige mit ihren imaginären besten Freundinnen Ilse und Gertrud die heutigen Bildungslücken auf. Zumal sie wegen des Lehrerkräftemangels als rüstige Seiteneinsteigerin in der Grundschule beste Einblicke bekam. So konnte sie den Kindern, der Namen komischerweise fast alle mit L anfangen, erklären, wie Schule richtig geht – und zwar mit dem kleinen Einmaleins samt Kreuzstich und Eselsbrücken. „Weitbords“ brauchte sie dafür genauso wenig wie Kinder „Fäsbock“ bräuchten. Anstelle nach Minzbonbons klingenden MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) wünscht sie das Fach „SILZ – Sich Im Leben Zurechtfinden“ herbei. Dazu gehöre auch, dass man Erwachsene grüßt, Älteren einen Platz anbietet und Bonbonpapier nicht auf die Straße schmeißt.
„Kinder können heute kaum noch die einfachsten Sachen,“
beklagt sie und vergleicht viele Diktatergebnisse mit
„verschlüsselten Botschaften des Militärs.“
Ordnung wäre hilfreich und fange bei den Schulmöbeln an. Doch statt es bei Reihen zu belassen, wandern die Stühle andauernd durch den Klassenraum. Bei all den Stuhlkreisen und Projektgruppen seien Bodenbeläge kaum noch zu retten, aber die Kinder nach der Schule gut als Möbelpacker zu gebrauchen.
Es sind die wahnsinnigen Alltäglichkeiten, die Renate Bergmann gern etwas bieder und so herrlich verschmitzt vor Augen führt. Ihr Humor bleibt stets über der Gürtellinie und urkomisch, wofür sie das Publikum feiert. Das lässt sich sogar hinreißen, gemeinschaftlich „Das Wandern ist des Müllers Lust“ zu singen und Goethes „Zauberlehrling“ aufzusagen. Letzteren hat die Aushilfslehrerin übrigens auch schon „ihrer“ vierten Klasse vorgestellt, falls für sie in der sechsten Klasse, wenn Harry Potters Opa eigentlich im Lehrplan steht, kein Lehrer mehr da sei.
Renate Bergmann aber wird bleiben, mit hoffentlich noch vielen Büchern den Finger fröhlich in viele Wunden legen und damit Lesende sowie Zuhörende begeistern.
„Vielleicht sehen wir ja Renate Bergmann schon nächstes Jahr wieder,“
sprach Fouqué-Bibliothek-Direktorin Cornelia Stabrodt, als sie Schauspielerin Anke Siefken am Ende ein paar leckere Brandenburg-Souvenirs zum Dank überreichte. Das Publikum unterstützte die Idee mit langanhaltendem Applaus und stürmte sodann Torsten Rohdes Bücherstand.
Welche Lesungen, Führungen, Workshops und sonstigen Termine die 34. Brandenburgische Frauenwoche noch zu bieten hat, ist dem Flyer zu entnehmen.